Mut zum Sein

ClausAllgemein

Mut zum Sein

Die Überlebensfrage ist die existentielle Frage, die sich heute unserer Gattung stellt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger. Ihr können wir nur durch das Bewusstsein der Teilhaftigkeit und der universalen Verbundenheit angemessen gegenübertreten, nicht aber durch Distanzierung oder Verdrängen. So lässt sich auch der Verführung durch jene Heilsversprechen vorbeugen, in denen die radikale Herausforderung in der wir stehen, gefährlich simplifiziert wird. Vielfalt und Widersprüchlichkeit des Gegenwärtigen dulden keine Vereinfachung und damit verbundene Ausweichprozesse. Das mögliche Neue zeigt seine Konturen vielmehr im Erfahren und Aushalten dessen, was ist und damit dem Mut zum Sein. Von diesem Mut benötigt der Mensch in Zukunft eine Menge. Die Zerbrechlichkeit in dieser Erdzeitstunde, die unausweichlichen Katastrophen und die damit verbundenen Opfer werden vordergründig jede Gewissheit in Frage stellen und sind doch die notwendige Voraussetzung für ein schöpferisches Weiterbestehen oder besser: eine schöpferische Weiterentwicklung. Es sind immer die existentiellen Infragestellungen und die scheinbaren Absurditäten des Seins, die uns aus der Gewohnheits- und Bequemlichkeitsfalle reißen. Das Edelste im Menschen wird nicht befreit und gefördert im Zustand bedürfnisloser Gleichheit und Glückseligkeit. Verschwänden das Dunkle und Schmerzhafte aus der Welt, vor allem jenes, das wir selbst verursacht haben, verlören wir uns. Paradiesisch entmündigt, nähmen wir kein Entwicklungspotential wahr, das zu füllen wir aufbrächen. In diesem Lebensparadox geht es letztendlich für Mensch und Menschheit um die Erfahrung des Selbstseins und des Selbstwerdens im Widerspruch, im Scheitern und im Hindurch. So verwandelt sich das Gebrochene in der Schöpfung und in der Kultur, mutiert das jederzeit mögliche und sich ereignende Desaströse und Tragische zur Fruchtbarkeit bewältigter und überlebter Niederlagen. Es kann somit die Einsicht in die Tatsache, dass diese Zeit in Falschheit lebt und das Erspüren und Fühlbar machen von genau diesem Zustand als ein hohes zukunftsweisendes Gut angesehen werden. Ja, dies gilt sogar selbst dann, wenn wir uns noch zugestehen müssen, keine Wegweisung zu kennen, ja sogar endlich dazu zu stehen, dass es ersehnte umfassende Klarheiten nicht mehr gibt, wenn es sie denn jemals gab.