Existentielle Unsicherheit

ClausAllgemein

Existentielle Unsicherheit

Verlässlichkeit im sozialen und kulturellen Prozess des Werdens können wir uns zugestehen bezüglich unserer eigenen inneren Haltung, bezüglich des Ethos, das uns trägt und ausrichtet. Vorausgesetzt, wir haben Vertrauen zu uns selbst…

Der Rest ist und bleibt Kontingenz, hält also in einer Existenz, die sich in Unsicherheit bewegt. Sie muss sich strengstens versagen, nach Gewissheiten zu suchen oder sich gar in einem Leben mit Garantieanspruch einrichten zu wollen. Denn das ist der Mut, um den es geht: Das Aushalten fehlender Handlungsmacht im Sein, das Ertragen der mitgegebenen Unsicherheit hinsichtlich aller erkannten Möglichkeiten und damit des Fehlens eines als sicher zu bezeichnenden Ausgangs.

Unsicherheit durch Unberechenbarkeit konfrontiert mit der außerordentlichen Zumutung, wirklich nichts als unvermeidlich anzusehen, und zwar in nahezu jede Richtung! Und so können an gesellschaftlichen/ kulturellen/ historischen Kulminationspunkten sowohl Katastrophen warten als auch ungeahnte Möglichkeitsräume, die sich unvermittelt zu öffnen beginnen. Ein zukunftsweisender Umgang mit solcher Offenheit meint dann, Unsicherheit in die Kunst zu überführen, das im Momentum Gegebene zu gestalten. Und zwar dadurch, dass ich selbst in der Katastrophe alles auf diese Möglichkeitsräume ausrichte. Neues, das sich mir zeigt, bin ich bereit, bedingungslos zuzulassen und es zu formen.

Das Aushalten von Unsicherheit gesteht dem Zweifel sein Recht zu und wertschätzt den Irrtum. Solches beginnt damit, sich von zahlreichen alten Zukunftsillusionen zu verabschieden. Wie oft haben sie als große historische Irrtümer auch die persönliche Existenz unzähliger Menschen infiltriert und in der Folge blockiert. Der Wachstumsglaube, das sozialistische Gleichheitsideal oder die neoliberale Vergötterung von Markt und Kapital stehen exemplarisch dafür. Wie kein anderer, kann der Abschied aus diesen Lebens- und Bewusstseinsfallen mit großartiger Befreiung verbunden sein. Mit der entstehenden Freiheit erwachsen Phantasie und Kreativität dann geradezu zwangsläufig. So öffnen sich neue Spielräume zur Erfüllung dessen, was wir ein gelingendes Leben nennen können. Zuwendung erfordert dabei die Herausforderung, sich bei aller Komplexität und Unberechenbarkeit im Leben doch zugleich in einer langfristigen und verlässlichen Perspektive zu üben. Denn kein personales und kein soziales System hält permanenten Kurswechsel aus. Allerdings helfen dabei keine Perspektiven, Zukunftsentwürfe und Handlungsschritte mehr, die sich an Insel- und Rückzugsmodellen und in sich abgeschlossenen Weltentwürfen orientieren. Denn zur Akzeptanz der existentiellen Unberechenbarkeit gehört heute eben die Einsicht, dass sie bei aller Nähe zu meinem Leben doch immer wieder auch mit globalen Ursachen verbunden ist. Und das hat Folgen für denkbare Optionen. Selbstgewählte Isolation kann nur in die Beschneidung von Potentialität führen und letztlich in Verbitterung. Und dann hörst du auf zu leben…

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