Baum…

ClausAllgemein

…und neuer Mensch

In dem, was wir Natur nennen, scheint alles und ist alles miteinander verbunden. Als Außen und Innen zugleich finden auch wir Menschen in diesem universalen Lebensnetz unseren Platz. Und doch empfinden wir uns zumeist als ein „Gegenüber“ und sprechen von Um- statt von Mitwelt. Es mag da schon eine Frage wert sein, warum wir unser Bewusstsein in der Trennung halten und nicht die Nähe suchen. Denn dann wüssten wir in jeder Situation, in der uns Weltfremdheit und Einsamkeit befällt, dass wir nicht, ja niemals alleine sind. Es reicht die Nähe eines Baumes, der uns im Wesen doch so ähnlich ist. Tief verwurzelt, ganz Erde, nimmt er Nahrung auf, die der Boden spendet. Und gleichzeitig erhebt er sich zum Himmel, trinkt den Nektar der Wolken und streckt sich zum fließenden Licht, ohne das er nicht sein kann und einginge. Jeder Baum ist als Bruder des Menschen ein Wunder. Er kann uns Lehrmeister für alles Zukünftige sein. Und wir verfügen über das außerordentliche Privileg, dies wahrnehmen, ja spüren und fühlen zu können.

Es scheint mir nicht selbstverständlich, so wahrnehmen und sehen zu dürfen wie der Mensch, auch wenn er normalerweise auf das nur äußerlich Sichtbare verwiesen ist. Habe ich das aber verstanden, dieses Privileg, ein Sehender zu sein, kommt als drängende Folgefrage sofort, ob wir vielleicht auch „gesehen“ werden. Francois Cheng schreibt in seinen „Sieben Briefe an eine wiedergefundene Freundin“:
Ja, wir müssen demütig genug sein, um zu erkennen, dass alles, das Sichtbare und das Unsichtbare, von JEMANDEM gesehen und gewusst wird, der uns nicht gegenüber, sondern an der Quelle steht. Nur wer das vollkommene Sehen besitzt, erfreut sich wahrhaftigen Wissens und wahrhaftiger Macht.

Was nun setzt eine Annäherung an jenes Sehen voraus, und was heißt das in der Folge für die Richtung unserer Wahrnehmung?

Es geht darum, das Leben – unterschiedslos – in seinem Verwirklichungsdrang sehen und verstehen zu lernen; uns selber sehen und verstehen lernen als „Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“ (Albert Schweitzer); das Unsichtbare sehen – oder besser: schauen lernen in kontemplativer Haltung; indem wir immer wieder den Raum der Stille betreten, der tiefen inneren Stille, die hinter der vordergründigen Lärmlosigkeit liegt. Hier öffnet sich das innere Auge der universalen Verbundenheit jenseits aller Worte. Schließlich erwartet uns, in die Quelle selbst einzutauchen – die Quelle fließenden Werdens, Vergehens und Verwandelns, die Quelle fließender Ewigkeit.

Das liegt als Möglichkeitsraum vor uns. Es ist die Zukunft des neuen Menschen, der eines fernen Tages dem vergehenden alten Adam und der alten Eva der Gegenwart folgen wird. Dem schon jetzt die Tür zu öffnen, ist die Aufgabe derer, die ihr gegenwärtiges Sein als Dienst an den Kommenden verstehen.

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