Das Böse, die Erkenntnis und die Seele

ClausAllgemein

Je mehr Gleiches von Gleichem wir als Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen im Raum des Menschlichen haben, desto wahrscheinlicher wird, dass es sich wieder und weiter ereignet. Je mehr mit Gewalt auf Gewalt reagiert wird, desto sicherer ist, dass dem wieder Gewalt folgen wird.

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ (Friedrich Nietzsche)

Jeder böse Gedanke und jede böse Handlung bauen das Feld des Bösen weiter auf, individuell und kollektiv. Als das Böse möchte ich hier mit Albert Schweitzer das definieren, was Leben bewusst schädigt, hindert, blockiert, vernichtet. Das Böse schafft den Hang zum Bösen, die Sünde bewirkt den Hang zur Sünde. Beide neigen dazu, sich zu wiederholen. Der Frucht der bösen Taten können wir somit kaum entkommen. Doch was für das Böse gilt, trifft auch für das Gute zu, das Lebensdienliche. Jeder gute Gedanke, jede Handlung aus Liebe arbeitet an dem Feld von Wahrscheinlichkeitsenergien, die den Einflussraum des Bösen mindern, indem sie die eigenen Resonanzflächen erweitern.

Resonanz ist das Grundprinzip des Universums. Das Böse benötigt als Resonanzfeld den Geist, der sich entscheidet bzw. die Seele, die mit ihm schwingt. So sprechen wir auch von einer „dunklen Seele“. Das Böse hat Macht über unsere Gedanken, auch wenn wir es als metaphysisches Prinzip genauso wenig denken können wie „Gott“; und es hat Macht über das, was wir Seele nennen, dieses unbewusste und den einzelnen Menschen weit übersteigende Energie- und Empfindungsfeld. Solange unsere Menschen-Welt andauert, wird das Böse also seinen Nährboden finden und sich fortpflanzen. Denn die Resonanzfähigkeit für das Böse liegt in den Möglichkeiten der Natur des Menschen. Das Eintrittstor öffnet sich durch jene geistige Haltung, die wir Acedia, Trägheit, nennen und durch eine geminderte Urteilskraft. Ein fehlender Erkenntnis- und Entwicklungswille, ungezügelte Triebe und Affekte und die fehlende Ausrichtung auf das Göttliche bzw. Absolute sind die Treibmittel. So wie wir uns nach dem „Himmel“ voller Sehnsucht strecken, so sehr sollten wir uns bewusst sein, dass die „Hölle“ manchmal verdammt nah ist.

Unwissenheit und die damit verbundene Selbsttäuschung geben sowohl dem Leiden als auch dem Bösen Raum – wenn auch nicht immer intendiert. Erkenntnis mit der aus ihr fließenden Fähigkeit zur Unterscheidung ist deshalb die Mutter freier und begründeter Wahl und Entscheidung. Ohne den Erkenntniskampf um die Kraft der Unterscheidung wäre bereits die Differenzierung zwischen dem Guten und dem Bösen in Unkenntlichkeit und Beliebigkeit aufgehoben. Der menschliche Geist verkäme zum Spielball der unterschiedlichsten Stimmen, die ihn zu beeinflussen suchen.

Die Erkenntniskraft des Bewusstseins und die aus ihr erwachsende Kunst der Unterscheidung heben das Böse nicht auf. Aber sie vermögen es zu identifizieren und zu markieren. Die Aufmerksamkeit, die ich dem Dunklen entgegenbringe, schwächt alleine schon seine Energie, ist es doch da am mächtigsten, wo es unbeachtet und unintegriert im Unerkannten wirken kann; bzw. immer dort, wo die Augen der Seele und des Herzens aus Angst, Scham oder Trägheit so gerne wegsehen. So wächst Erkenntnis zu einer lebensdienlichen Vernunft, die Hass, Diskriminierung und Gewalt widersteht. So leistet sie ihren Beitrag zur Reinigung der verirrten Seele, indem sie deren Resonanzfeld neu ausrichtet. So arbeitet sie schließlich an der Transformation und Heilung dessen, was durch Böses verursacht wurde.

Denn sie geht dem Bereuen und einer entsprechenden Verhaltensänderung voraus.

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