Die Wahl zwischen Härten

ClausAllgemein

Wir rasen als Menschheit auf eine Wand zu, und die Geschwindigkeit steigt kontinuierlich. Dieses Bild verwendet Uwe Schneidewind, Präsident des angesehenen Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, wahrlich kein apokalyptischer Schwarzmaler. Bevölkerungswachstum, Ressourcenplünderung, ein gigantischer Schadstoffausstoß gehören zu den vordergründigen und messbaren Ursachen. Der Wissenschaftler stützt sich dabei unter anderem auf eine von der NASA mitfinanzierte Studie, die sich mit allgemeinen Mustern des Untergangs beschäftigt. Dabei wird der nahende Kollaps einer Zivilisation dramatisch beschleunigt, wenn sie neben ihrem ökologiefeindlichen Verhalten zugleich in eine reiche Elite und eine verarmte Bevölkerungsmehrheit gespalten ist. Denn die Macht- und Finanzeliten spüren die Krisenphänomene deutlich später und sind als letzte existentiell von den Folgen betroffen. So treibt sie wenig an, noch rechtzeitig gegen- und umzusteuern. Dabei kommt es doch vor allem auf sie, ihr Wissen, ihre Macht, ihr Kapital an.

Die Einsicht in das scheinbar Unausweichliche teilen mittlerweile zahlreiche Experten, die sich nicht scheuen, das eigentlich Undenkbare, nämlich den absehbaren baldigen Untergang der momentanen menschlichen Zivilisation immer mit im Blick zu halten.

Genau dieses aber, das im Blick halten und zunächst einmal an sich heranlassen, berührt eines der grundlegenden Probleme, die wir haben: trotz der vorhandenen Informationen, trotz der bereits jetzt sich vollziehenden gravierenden Veränderungen und trotz des spürbaren Leids im Lebensprozess bleiben wir eingerichtet, zeichnen uns durch eine geradezu unglaubliche geistige und wesenhafte Faulheit und Bequemlichkeit aus. Einsicht mit Konsequenzen lassen wir erst zu, wenn das Drama uns direkt anfasst. Die siebte der Todsünden, die das benennt, die Acedia, war wohl noch nie so verbreitet und folgenhaft wie in der Gegenwart.

Schließen wir uns aber nun diesem Blick auf unsere zivilisatorische Vergänglichkeit einmal an, so stellen sich trotzdem Fragen nach den Optionen des Handelns, die verbleiben, wenn wir uns nicht ohnmächtig und unwürdig unserem Schicksal ergeben wollen. Denn einen Weg gibt es immer, wenn auch wohl keinen der ausgetretenen Lebenspfade der Vergangenheit und Gegenwart. Die Wahl, die sich uns zeigt, ist eine Wahl zwischen Härten; oder besser: eine Wahl zwischen dem, was wir als Härte empfinden, verglichen mit den gewohnten Lebensweisen. Diese Differenzierung mag wichtig sein. Denn es geht auch in diesem Falle viel mehr um die Art und Weise, wie wir auf etwas schauen, als um das Ereignis oder die Verhaltensweise selbst. Wird beispielsweise der Verzicht auf Überfluss und Leben vernichtende(n) Ernährung und Konsum weniger als Defizit, denn als Ermöglichung betrachtet, so wandelt sich die scheinbare Härte in Wohlempfinden. Das Ringen und der Kampf für ein würdehaftes Leben und Zusammenleben aller Lebensformen, unter Zurücknahme eigener lebensfeindlicher Denk- und Verhaltensweisen, schmerzt dann nicht, sondern führt in eine Selbstachtung, die diesen Namen überhaupt erst verdient.

Selbstredend, ohne Entschiedenheit und Mut, aber auch Demut und Hingabe, laufen alle Mühen und Vorhaben ins Leere und in die Verlorenheit. Aber gerade an diesem Punkte gilt es zu erinnern, dass wir nicht alleine sind. Wir stehen in einer unzerbrechlichen Partnerschaft mit der „geistigen Welt“. Und das mag das Vertrauen schenken, das jeder existentielle Aufbruch benötigt. Manches können wir dann, wenn unsere eigenen Kräfte schlichtweg überfordert sind oder schwinden, freigeben und übergeben. Was bliebe auch für eine Wahl?

Auch brauchen wir die Früchte dessen, was wir säen nicht selber noch sehen und ernten. Es reicht zu handeln, weil es richtig ist, so zu handeln – ohne auf Andere oder das Ergebnis zu schauen. Auch das gehört zu dem, was wir Verantwortung, Würde und eine entsprechende Selbstachtung nennen.

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