Verwirkt

ClausAllgemein

In Gesprächen mit manchen Vertretern der politischen und ökonomischen „Eliten“ bzw. in deren Selbstoffenbarungen und Verlautbarungen fällt eine oft seltsam anmutende Beschränktheit auf. Sie ist der Verfangenheit in einer Weltwahrnehmung und Weltdeutung geschuldet, die wir systemisch nennen können. Du bist im Denken und Analysieren gleichsam programmiert auf das Selbstverständnis, die Abläufe, die inneren Logiken und die Bedürfnisse der Kontexte hin, in die du dich hinein sozialisiert hast – ob gewollt oder ungewollt oder in einer Mischung.
Systemisch und entsprechend zentrisch ist der Blick des Ökonomen und der ökonomisch Handelnden auf das Wirtschaftssystem, in dem sie wirken und das sie repräsentieren. Sie können nicht anders als in den Gesetzen des Kapitalismus und in der Dynamik von Wachstum und Konsum denken. Und darauf beziehen sie, daran messen sie alles. Daraufhin richten sich gar viele Empfindungen, wird ihre Sehnsucht gelenkt. Selten gehen Visionen über diesen Horizont hinaus. Andere „Systeme“, wie die von Natur, von Tierwelt, von Mutter Erde erreichen die Wahrnehmung allenfalls als ökonomische Verwertungsmasse oder eine gelegentliche, natürlich „private“, sentimentale Regung. Wie eine Lokomotive im Schienennetz einer globalen Modelleisenbahn ziehen die im System Verfangenen so ihre mentalen Kreise. Unfähig zu einem geöffneten Bewusstsein und einer geöffneten Empathie bleibt das „außerhalb“ unverständlich.
Vergleichbares gilt für die politische Repräsentanz. Innerhalb ihrer Systementwürfe von Staat und Gesellschaft verwerfen sie jene Argumente und Handlungsoptionen, die nicht dem System dienen.

Anders der äußere Blick – oder besser – die Metaperspektive. Sie nimmt die Wechselbeziehungen zwischen unterschiedlichen Systemen wahr, die gegenseitigen Abhängigkeiten und die jeweiligen Bedürfnisse, die für Leben und Überleben notwendig sind. In der Metaperspektive werden Verfangenheiten sichtbar und treten übergeordnete Bedürfnisse und Notwendigkeiten in den Vordergrund. Die Metaperspektive ist frei von Partikularinteressen. Sie richtet sich auf das Ganze. In ihr ereignet sich der Blick des Lebens auf sich selbst. Sie heißt nichts gut, was nicht dem Leben, was nicht Mutter Erde, was nicht dem Ganzen dient.

Das, was sich heute Politik nennt, hat die Metaperspektive verloren, wenn sie diese denn je hatte. Sie ist innersystemisch und in Partikularinteressen verstrickt, eine selbstverschuldet Gefangene. Unfähig, dem Ganzen zu dienen, unfähig, von den Lebensnotwendigkeiten für die Kommenden her zu handeln, setzt sie das Ganze gnadenlos für ihre Götzen aufs Spiel: Wachstum, technische Entwicklung, mörderische Mobilität, Konsum um des Konsums willen. Sie begründet sich dabei gar noch als Demokratie, obwohl sie dieser den Boden entzieht. Denn wo die Lebensbedingungen bedroht werden und dramatisch schwinden, wird es Kämpfe, Überlebenskämpfe geben, statt einer diskursiven Kultur. Noch nehmen wir es nicht wirklich spürbar wahr, denn die Kühlschränke sind noch voll, und das Medientheater lenkt uns hinreichend ab. Aber es herrscht schon lange Notstand.

So ist die herrschende Politik dabei, ihre Legitimation zu verwirken, bzw. sie hat dies längst getan. Und diese Einschätzung gebietet nicht nur der evolutionäre Blick, sondern selbst der einer rationalen Vernunft.
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