diaphan

ClausAllgemein

Die Reflektion über das Unsagbare gehört zur Geistesgeschichte des Menschen wie die Frage nach dem Sinn des Seins. Das in Worten nicht zu Umfassende und in keinen sprachlichen Ausdruck zu Bringende, bezieht sich dabei auf unterschiedlichste Wirklichkeitsdimensionen. Sie reichen von dem unfassbaren Grauen, das wir etwa fast schon metaphorisch in dem Namen Auschwitz finden über die Empfindungstiefe, die mit dem verbunden ist, was den Namen Liebe trägt, bis hin zu jenem Geheimnisraum, dem sich das verschrieb, was wir Mystik nennen.

Auf das begrifflich weitestgehend Unvorstellbare, zumindest aber nie hinreichend Umschreibbare, zugleich aber doch einer gewissen Erfahrung zugängliche und deshalb Erlebbare, bezieht sich also die Nicht-Sagbarkeit. Alle Worte sind hier immer nur Fragmente dessen, was ausgedrückt werden will, und das Gegenüber, an das ich diese Worte richte, wird wiederum nur Bruchstücke davon so verstehen und deuten, wie ich es meinte.

Doch haben wir ja nicht nur die Worte. Wo diese versagen, erscheint etwa die Kunst. So betonte Richard Wagner, dass dort, wo die Sprache aufhöre, die Musik beginne. Mit ihr allerdings öffnen sich neue Wahrnehmungsräume in neue Tiefen, vor der sich jede versprachlichte Musikkritik eigentlich schamhaft zurücknehmen müsste. Und auch über Bilder und das Sehen in ihren mir zugänglichen Bedeutungsraum hinein, lässt sich nicht wirklich rational und empathisch zugleich sprechen, sieht man von kunstgeschichtlichen Auslassungen einmal ab.
Was bleibt, ist das erzählerische Sprechen des Menschen, dem das Unsagbare begegnet ist und der es erlebt und durchlebt hat. Und dem Gegenüber bleibt dabei das bedingungslöse Hören, ohne zu bewerten, zu vergleichen. Nur solches Hören, das übersetzt werden kann als Hingabe an das, was einen Ausdruck finden will, schenkt den Schatten einer Teilhabe an dem ganz anderen.
Selbst dies jedoch erlischt als Möglichkeit, wenn es um das Numinose, das ursprünglich Geheimnisvolle, den vorsprachlichen und vor jedem Bilde liegenden Grund aller Gründe und damit um jenes geht, was Menschen mit den Namen Gott oder das Göttliche zu greifen suchen.

Dies ist nun die Stelle, an der es sich zu vergegenwärtigen gilt, dass wir nicht mehr von Wissen reden, und auch nicht mehr von Glauben an ein Gottesbild, das doch nur einem menschlichen Bedürfnis entspringt. Wovon wir sprechen, ist die innere Erfahrung des wortlos, zweckfrei und unschuldig Durchscheinenden, des Diaphanen. Dieses Durchscheinende des schöpferischen Grundes begreifen wir nicht mit dem Geist, sondern empfinden es mit der Seele. Es stellt im wahrsten Sinne des Wortes Glaube und Wissen in ein völlig neues Licht.

Was wir über das sogenannte Absolute, auch dies nur ein Wort, sagen können, erinnert daran, dass es immer schon da ist, uns umgibt, umhüllt und eben in allem durchscheint. Wie in jedem Lebensquell wird es somit auch im Menschen und durch den Menschen sichtbar – und zwar jenseits der menschgemachten Kategorien von Gut und Böse. Die Tiefe, die wir erreichen können und die uns wohl von anderen irdischen Lebensformen unterscheidet, liegt darin, sich auf das Durchscheinende einzulassen und es wortlos zu erkennen – oder besser: mit allen Fasern unseres Sein zu erspüren. Dann wird es still tragen, zu jeder Zeit, in der du dich durchlässig machst. Das beendet nicht Kommunikation. Aber sie folgt der erlebten Kommunion. Und sie wird in diesem Moment schweigende Rede sein. Sie widersteht der Versuchung, das Unaussprechbare im törichten Gerede und in Diskussionen um der Diskussion willen, zu verschleißen, ohne eine letzte Ehrfurcht, die im Verstummen und seiner Akzeptanz ihren Ausdruck findet.

Das Geschaffene wird auf das Unendliche hin durchsichtig.
Die Durchsichtigkeit der Dinge,
das ist mein Beten.
(Maurice Zundel, 1897-1975)

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