Beginn einer Antwort

ClausAllgemein

Ein Freund regte als Reaktion auf meinen letzten Blog an, dass es schön wäre, wenn ich zu der Frage, wohin wir wollen, eine auch konkretere Antwort gäbe. Das möchte ich aufgreifen und in den kommenden Wochen deshalb die 7 mir als wesentlich und unabdingbar erscheinenden Aspekte auf- und ausführen.
Welche Orientierungen und Haltungen dienen dem Netzwerk des Lebens? Was gründet uns als Mischwesen aus Geist und Materie, aus „Himmel“ und Erde? Die Quelle dazu liegt in dem überzeitlichen Geist- und Weisheitsraum, den jeder Mensch, zu jeder Zeit, ohne Vorbedingungen betreten kann, gleich auch, in welchen Bahnen sein Leben sich bislang bewegte.

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Eins: Die orientierende Kraft der Stille

Orientierung zu finden, braucht gelegentlich Distanz. Sie braucht Distanz zur uns allenthalben umgebenden Ablenkungsindustrie, zu den Eingebundenheiten und Verhaftungen, die unser Leben prägen, zu uns selber und dem Ego-Tunnel, in dem wir uns so oft verfangen. Distanz, ohne zu verlassen und ohne zu trennen, weitet das äußere und vor allem das innere Auge. Es ergibt sich gleichsam eine Metaperspektive aus dem Inmitten.
 
Grundlegende Ausrichtung als Haltung dem Sein und nicht nur einigen äußeren Lebenskoordinaten gegenüber, wächst zudem nicht durch bloßes Räsonieren, Analysieren und schlussfolgerndes Denken. Sie benötigt einen inneren Heimatraum, in dem du jederzeit, völlig unabhängig davon, was im Außen geschieht, ankommen und dich beherbergen kannst, in einem Geist allumfassender Verbundenheit und angstfreien Loslassens.

Es geht bei Orientierung somit immer auch um den Raum der Stille und den Weg der Kontemplation, aus denen letztlich alles zu erwachsen vermag. Es öffnet sich der Blick hin zur Wesenhaftigkeit. Diese ist formlos, und wir werden ihrer auch nur durch Absichtslosigkeit gewahr. Körperlich vermag man sie als situative Geborgenheit und als ein ultimatives Getragensein empfinden, in dem wir keine Rolle mehr spielen, uns an nichts anpassen und uns nicht mehr begründen müssen. Hier kommst du an, da ist Heimat. Und das ist es, was dich immer wieder sehnsuchtsvoll in die Stille zieht. Es lässt dich aufrecht gehen und die Rolle auf der Bühne deines Lebens neu interpretieren.

„Aber das Wehende höre, die ununterbrochene Nachricht, die aus der Stille sich bildet…“ (Rainer Maria Rilke)

Im Universum der Stille öffnet sich ein Tor des Bewusstseins, durch das uns manchmal, wie Rilke es formuliert, etwas anweht. Zunächst ist es fern von jeglichen Gedanken. Es scheint einer anderen Dimension zu entstammen, auch wenn wir es dann wieder in Worte einkleiden und den Bildern der äußeren Welt zuordnen. Dieses Anwehen ist wie eine Berührung durch jenes Licht, das Seele und Herz nährt und wärmt. Wir befinden uns in der Wahrnehmung einer Beziehung tiefer geistiger, ja vielleicht kosmischer Resonanz. Die Seele empfindet ein ultimatives Getragensein.
In anderen Worten ließe sich sagen, dass es um die Herstellung und die Bewahrung unseres inneren Friedens geht, gleich auch, was „außen“ geschieht; um die Ruhe im Auge des Taifuns; um Gewissheit selbst dann, wenn das Verstehen noch scheitert und der Boden unter unseren Füßen, den wir stabil glaubten, erodiert.

Die Stille kann uns zu dem Quell, aus dem das Leben selber schöpft, führen. Hier sind Welt und Überwelt potentiell noch vereinigt, irdischer Grund und geistiges Universum aufeinander bezogen. Zwar könnten wir diesen Quell auch erdenken, so wie er in diesen Worten ja auch Erwähnung findet. Doch um ihn zu spüren, sich mit ihm zu verbinden, müssen die Gedanken sich niederlegen. Hinter ihrem Ruheraum öffnet sich dann das Zimmer des Schweigens. Ohne Türen gelangen wir von dort in die raum- und zeitlose Stille. Von der hier gemachten Erfahrung aus, lernen wir nun, den Lauf der Dinge zu betrachten.

Dem innigen Bezug zur Stille, dem kontemplativen Weg, sind die Orientierung in der Welt, die ethische Fundierung und der visionäre Blick zugeordnet. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen, nach dem Grundimpuls von Sein und Werden, verschmilzt mit den Erfordernissen, Möglichkeiten und Sehnsüchten in der Zeit. Wir nähern uns dem Einswerden mit unserem Innersten, dem Heiligsten und damit dem Weg an sich. Das ist eine tägliche Übung! Sie verändert das Leben und den Blick darauf grundlegend. Grund legend. Die sogenannte Welt begegnet uns in neuem Gewand. Und gleich auch, was sich nun ereignet, dieser Grund trägt.

Es gibt eine Stille,
kennst Du sie?
in der man meint,
man müsse die einzelnen Minuten hören,
wie sie in den Ocean der Ewigkeit hinuntertropfen.
(Adalbert Stifter)


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