Segen sein

ClausAllgemein

Im Segen wohnt Heil. Menschen wird Gutes zugesprochen, Gedeihen, Erfüllung, Schutz und Bewahrung erbeten. So deutet es bereits der lateinische Ursprungsbegriff benedictio an, der abgeleitet ist von benedicere, also gut (bene) sprechen (dicere) – von jemandem gut sprechen, jemandem Gutes zusprechen. Aus dem im engeren Sinne Religiösen heraus, hat der Segen schon längst seinen Platz in der Alltagswelt gefunden.
„Ich wünsche Dir eine gesegnete Zeit.“
„Segen sei mit Dir und begleite Dich auf deinen Wegen.“

Wie sich das dann in einer auf Nützlichkeit hin ausgerichteten Welt aber schnell ereignet, widerfahren dem Segen und dem Segnen ihre mehr oder weniger beliebigen Instrumentalisierungen bis hin zum erschreckenden Missbrauch. Da werden nicht nur Menschen in Krisensituationen, Säuglinge oder Paare gesegnet, sondern auch Geschäfte, Autobahnabschnitte, Motorräder und Waffen.
Von solchem soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr verdient jenes genaueres Hinschauen, was die Kraft und manchmal auch den Zauber des Segens und der Segnung ausmacht.

Wie es im Buch Genesis (1,28) heißt, endet die Erschaffung des Menschen, von Mann und von Frau, mit deren Segnung durch ihren Schöpfer. Der Ausgangssegen also begründet die nun beginnende eigentliche Menschwerdung, die keinen Endzustand kennt und die getragen wird von der spannungsgeladenen Beziehung zwischen Mensch und Gott. Es ist vor allem der Segen, der Bindung herstellt in dieser Beziehung. Als Energie und als Versprechen füllt er den verbindenden Raum zwischen Immanenz und Transzendenz, dem Diesseitigen und dem Jenseitigen, zwischen „Himmel“ und Erde.

Den Segen geben und empfangen wir als Geist durch unseren Körper. Er bedient sich eines körperlichen Ausdrucks. Ausgebreitete Arme und Hände umfassen gleichsam den Raum, den der Segen ausfüllt. Die aufgelegte Hand dient als Medium der Übergabe fließender Energie aus einem in einen anderen Leib. Worte tragen die segnende Botschaft und füllen als Klang den Raum, der den gesegneten Menschen umgibt. Alle Dimensionen und alle Himmelsrichtungen werden dabei mitbedacht, wie das etwa im segnenden Zeichen des Kreuzes zum Ausdruck kommen will.
Doch Segen kommt im Alltag auch ohne große Worte und ohne raumgreifende Gesten aus – als Botschaft in die Stille, gerichtet auf anderes Leben. So kann ein Segen in vertrauender Haltung bewusst empfangen und aufgenommen werden; er kann aber auch auf einem Menschen ohne dessen Wissen und ohne entsprechendes Bewusstsein ruhen.

Der Segen ist erbetener Zuspruch aus einer anderen Dimension. Hat ein Mensch Zugang dazu und ein darauf bezogenes Vertrauen, schenkt er Kraft, begleitet auf den wechselnden Pfaden des Seins. Gerade an den Übergangsschwellen auf unserer Lebensreise wird er zum vielleicht wichtigsten Elixier: beim Eintritt in das irdische Sein, den folgenden unterschiedlichsten Lebensabschnitten, bei partnerschaftlicher Bindung, einer Trennung, im Durchleben einer Krankheit und auch im Voranschreiten zum Tode hin.

Der Segen wird zumeist als geistige Energie gedacht, vermittelt durch einen Menschen. Doch auch ein Mensch selber kann für andere ein Segen sein und manchmal engelgleicher Begleiter. Im Spenden von Trost, der Ausstrahlung von Ruhe und Kraft, ja der puren Präsenz mag er ein Leben stützen, das gerade von Sorge, Trauer, Schmerz, Orientierungslosigkeit oder dem Gefühl von Verlorenheit und Einsamkeit überlagert wird. Und so ist vielleicht das Größte, das wir uns für unser Leben wünschen können, einander Segen zu sein.

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