Wahrheit ist ein Prozess

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Als Absolutheitsbegriff duldet „Wahrheit“ keinen Widerspruch. Während alle, auf Fundamentales sich richtende Begriffe und Verständnisse normalerweise eines Bezugssystems bedürfen, wie etwa Zeit und  Geschwindigkeit, ist dies bei Wahrheit anders. Ihr obliegt das Ganze an sich, unabhängig von Zeit und Raum. Ähnlich wie der Begriff „Gott“. Das Bedingte, der Mensch, allerdings kann das Absolute nie vollständig umfassen. Insofern ist jeder Absolutheitsbegriff in Verbindung mit menschlichem Vermögen eine Täuschung, zumindest aber eine unkalkulierbare Unzulänglichkeit. Das betrifft neben Wahrheit  etwa auch das wissenschaftliche und journalistische Ideal der Objektivität. Es mag die Wahrheit geben, aber sie ist uns nicht zugänglich. Jedoch scheint es möglich, … weiterlesen

Tanzende Tränen. Die heilige Paradoxie der Sehnsucht

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Angesichts zerfließender Gewissheiten melden sich in der gegenwärtigen Weltzeitstunde verstärkt die uralten Fragen zu Wort: Wo ist da Sinn, wo leuchtet Orientierung, was gibt Halt?Was bleibt, da absehbar ist, dass des Menschen Tun ihn mit Folgen konfrontiert, die das kulturelle und zivilisatorische Fundament erodieren lassen?Welche Kraft stärkt im Hindurch?Was führt in eine neue Zeit, wenn all die äußeren Dinge ihren Glanz verloren haben? Seit je wirkt eine Urkraft, die uns durch die Evolution begleitet und, wenn wir es zulassen, wachsen lässt. Es ist die Sehnsucht. In ihr findet jegliche Frage eine Antwort. Denn der Mensch wird Mensch erst durch sie – … weiterlesen

Vom poetischen Wert der Sprachlosigkeit

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Ein Gastbeitrag von Mike Kauschke Das Leben macht uns sprachlos. Immer wieder. In der letzten Zeit ist es mir noch einmal intensiver bewusst geworden, wie ich angesichts von Geschichten von Menschen aus dem Krieg in der Ukraine oder des Artensterbens und der Vernichtung der lebendigen Mitwelt sprachlos werde. Ebenso in Gesprächen, die sich den letzten Fragen des Menschseins nähern, wie Leiden und Tod. Aber auch in der Begegnung mit überwältigender Schönheit.Diese Sprachlosigkeit ist mir kostbar geworden, heilsam. Denn in solchen Momenten der Sprachlosigkeit kommt das gewohnte Denken zum Erliegen, läuft sich aus. Alles, was mir als Wissen zur Verfügung steht, … weiterlesen

Achtsamkeit ist das Kind, Wachheit die Mutter

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Achtsamkeit ist zu einer Schlüsselmetapher der Gegenwart geworden. Vieles wurde über sie gesagt, geschrieben; Achtsamkeitsschulen haben sich gegründet. Als eine spezifische Form von Aufmerksamkeit markiert sie eine besondere Qualität des menschlichen Bewusstseins – mental und körperlich.Geistes-Gegenwart, Unmittelbarkeit und Präsenz umschreiben sie genau so wie Bedacht-Sein in allem, was wir tun. Ein Mensch in achtsamer Haltung ist ausgerichtet, zentriert. Vorschnelle Urteile und Wertungen versagt er sich. In Achtsamkeit zu sein, ermöglicht die weitgehend vorurteilsfreie Registrierung dessen, was der Moment an inneren und äußeren Erfahrungen bereit hält. Ich werde Eins mit dem Moment, bin die Regung des Seins, die in meine Wahrnehmung … weiterlesen

Judas

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Ein Mann, vom Meister erwählt und zum Jünger berufen, sieht sich in seinen Erwartungen enttäuscht. Er begeht Verrat und setzt damit einen folgenreichen Handlungsstrang in Gang. Festnahme, Verhör, Verurteilung, Vollstreckung.Judas, der Jesus ausgeliefert haben soll, gilt als die historische Verkörperung des Verräters aus niederen Beweggründen. Ein Judas steht außerhalb der ehrenwerten und selbstgerechten Gesellschaft. Kann man ihn identifizieren und markieren, hat man einen Sündenbock und braucht sich nicht weiter um möglicherweise tieferliegende Ursachen eines Geschehens zu kümmern. Was die historische Gestalt des Judas Iskariot betrifft, gibt es allerdings unterschiedliche Deutungen hinsichtlich seiner wahren Motive, die zur Festnahme des Nazareners führten. … weiterlesen

Der Fels

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Marc Aurel, Philosoph und römische Kaiser, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte, wies dem Menschen zu, wie ein Fels zu sein, „an dem sich beständig die Wellen brechen. Er bleibt stehen, und rings um ihn legen sich die angeschwollenen Gewässer.“ Je unruhiger die Zeiten, je stärker das Zerfließen sogenannter Gewissheiten und Sicherheiten ist, desto bedeutender sind Institutionen und Menschen, die für Beständigkeit stehen und diese ausstrahlen. Eine gelassene Unerschütterlichkeit durchsteht all jene kulturellen und gesellschaftlichen Strömungen, die lärmend auf sich aufmerksam machen, große Wirbel verursachen, nur um dann der nächsten sich aufbauschenden Welle zu weichen. Auch wenn der Mensch kein … weiterlesen

„Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort…“

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…formuliert Rainer Maria Rilke. Denn nur zu oft kennen sie keine Zurückhaltung, keine Scham und keine Ehrfurcht. Sie sprechen alles so deutlich aus:Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,und hier ist Beginn und das Ende ist dort. Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,sie wissen alles, was wird und war;kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott. Wie viel mehr als noch zu Rilkes Zeiten gilt dies in der Gegenwart. In dem Lärm, der uns allenthalben umgibt, dem Klang- und Bilderstrom, der das Wahrnehmungsuniversum überlaufen lässt. In dem sinnlosen Gerede und … weiterlesen

Die Lichtseite des Menschen

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Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass wir als Menschheit nicht nur nicht wirklich weiterkommen, sondern permanent zurückgeworfen werden an Punkte, die doch eigentlich schon längst überwunden sein wollten und vor allem sollten. „Nie wieder Krieg“ schallte es nach 1945 über die Erde. „Es gilt Maß zu halten“ mahnte der Minister des Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard. „Die Grenzen des Wachstums“ sind erreicht, verkündete 1972 der Club of Rome. Und so weiter… In diesen Tagen sieht es so aus, als seien wir wieder bei Null angekommen. Was die Weltsituation insgesamt betrifft, sogar auf einer desaströseren Basis als jemals zuvor – den Zustand … weiterlesen

Gewissheit in der Schwebe

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Wie wir die Welt sehen, das Kommen und Gehen der Dinge, das Werden und  Verwehen, liegt in der Eingebundenheit oder gar Verfangenheit in die Systeme und Lebenswelten begründet, die uns umgeben. Das schließt jene medialen Botschaften ein, denen wir uns aussetzen und die wir in unsere Lebenswelthorizonte integrieren. Entsprechende Erfahrungen, Sozialisation und Gewohnheiten prägen in der Folge den Blick auf die Welt, genau wie die sich daraus ergebenden Erwartungen, Urteile, Hoffnungen und Ängste. Jeder Mensch lebt in einer solchen Konstruktion. Mal stellt sie sich dar wie ein Puppenstubenhorizont, provinziell bis zur Unerträglichkeit; mal zieht sie unverrückbare kulturelle Koordinaten; mal ist … weiterlesen

Das Gebet

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Da ist keine Gottheit, die wunschgemäß unseren Gebeten folgt. Kein göttlicher Wille bremst menschliches Versagen aus. Sonst hätte sich die Shoah, die unfassbare Katastrophe, nie ereignet. Wie viele Stoßgebete wird es in Auschwitz gegeben haben. Wir wissen nicht, wie sich die Opfer damit fühlten im Moment ihrer Vernichtung. Wie viele Fürbitten und Gebete aus Sorgen und Verzweiflung richten sich in jeder Minute in einen unbekannten Raum. Und dann stirbt der geliebte Mensch an deiner Seite doch, und die Gewalt um dich herum nimmt kein Ende.Wir Menschen sind eigenverantwortlich in dieser Welt. Es ist unseres, sie zu gestalten im Rahmen und … weiterlesen