Stiller Aufstand

ClausAllgemein

Was tun, angesichts der Übermacht an struktureller Unterdrückung und herrenlos gewordener Gewalten, die den Planeten und das Bewusstsein der Menschen im Griff haben? Was tun, angesichts der beispiellosen Zerstörungen in der Welt und in den Weltinnenräumen der Menschen?
Bereits bei der Suche nach einer Antwort ist es wesentlich, welche Perspektiven wir einnehmen, denn sie zeigen uns den Ausschnitt des für uns Möglichen. Es ist sodann entscheidend, welche Wege wir in unseren inneren Horizont nehmen und auf welchen wir dann wandeln, auf der langen Reise, die auch eine Reise zu uns selbst ist.

Du kannst anrennen gegen das Destruktive, in die äußere Rebellion gehen, den Kampf aufnehmen, zu Sand im Getriebe werden…In diese Richtung wirken zahllose Hoffnung spendende Initiativen, weltweit. Sie haben zumeist die Zerstörung der Um- und Mitwelt, das Leiden von Mensch und Kreatur, die Destruktivität des Wirtschafts- und Finanzsystems, die unfassbare Hochrüstung auf der schönen und so verletzbaren Erde im Blick. Sie greifen das System an, präsentieren Alternativen und benutzen dabei überwiegend die Mittel und Wege des Systems selbst. Insbesondere gilt dies für die Medien. Dadurch werden sie selber zu einem kritischen Teil dessen, wogegen sie aufstehen. Gleichwohl ist dies unbestritten unverzichtbar, aller Ehren wert, fordert Respekt.

Und es gibt den stillen Weg, den stillen Aufstand, das Aufstehen, sich Erheben – nicht gegen, sondern für. Das sieht sich in keinem Widerspruch zur öffentlichkeitswirksamen Aktion. Es setzt zwar einen anderen Ausgangspunkt und führt in eine Handlungsalternative – doch auf das Ganze gesehen, sind beide Wirklichkeiten komplementär.

Was nun bedeutet still?

Du lebst in der dir möglichen Konsequenz das, was dir dein Verstand, deine Beobachtung, dein Mitgefühl, deine Empörung und deine Liebe zeigen. Was zählt, ist das eigene gelebte Leben. Das bedarf keiner besonderen Organisierung, keiner medialen Öffentlichkeit, keiner publizistischen Initiative.
Es geht nicht darum, auf die große Zahl und das Verhalten anderer zu schauen. Das raubt nur Energien. Die eigene Einsicht im Dienst am Leben zu verwirklichen, ohne zu jammern – und soweit wir es vermögen, jenes Leben zu sein, von dem wir träumen – das ist die Herausforderung. Schon die innere Arbeit an der eigenen Liebe zum Leben, die noch so viele Brüche hat, erfordert viel. Dann aber wird sich möglicherweise etwas regen und bewegen.
 
Auch wenn Macht und Energie der gegenwärtigen und zugleich alten und aussterbenden Welt noch stärker sind, es bleibt immer das Leben des Neuen schon jetzt, inmitten des Alltags. Und es bleibt das Sprechen darüber auf den kleinen „Bühnen“, die sich bieten. Aber vielleicht wird eine dieser Bühnen einmal die, von der ein Funke überspringt.

Stiller Aufstand meint: Wir tun es nicht bloß für uns. Wir tun es für die Kommenden.
Gerade sagt jemand: „Aber wir haben doch keine Zeit mehr.“
„Ja … das stimmt! Und trotzdem müssen wir uns die Zeit dafür nehmen.“

Es wäre ein Fehler, die Beispiel gebende Wirkung des eigenen Tuns zu unterschätzen, auch wenn sie erst bei den Enkeln fruchtbar werden sollte. Das gute Beispiel ist die einzige Art, die jedem von uns bleibt, Welt zu verändern, nachhaltig und überzeugend und ohne rechthaberische Diskussionen. Das lehrte uns unter anderem Albert Schweitzer mit seinem Wort und seinem ganzen Leben. Manches wurde an dieser Stelle bereits darüber gesagt.

Im Stillen Aufstand gelten also nicht die Gesetze des kapitalistischen Chronos. Mit diesen lebensfeindlichen Dogmen kann man das Neue nicht bauen, noch nicht einmal auf das Leben hören. Es zählt auch nicht die Macht der Medien. Wer auf sie setzt, läuft Gefahr, sich nahezu vollständig zu verlieren. Medien folgen Moden. Und die können binnen Tagen oder manchmal gar Stunden kippen und anderes nach oben spülen, was dann als bunte Sau durchs globale Dorf getrieben wird.

Aufzustehen erfordert Vertrauen – in die Macht des Lebens und der Liebe und in die Kraft der kleinen Zelle, die gleichzeitig strahlend für das Ganze zu stehen vermag. Ohne Vertrauen und Hingabe ist alles nichts, auch wenn sie dich dabei zum Narren machen. Das Vertrauen in das Trotzdem ist größer.
Und wenn sich das alles eines Tages angesichts der Verführungskraft der Verhältnisse und der grassierenden Trägheit doch als eine Illusion erweisen sollte?
Es gibt Illusionen, für die lohnt es sich zu leben und zu sterben.

Gehe den Weg, der dir gezeichnet ist,
sei er verschlungen oder gerade;
aber verlass ihn nicht,

wie er auch sei,
denn es ist dein Weg.
(Guy de Larigaudie)

http://www.stiller-aufstand.de

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