Dass der Widerspruch die geistige Evolution bewegt und Widerspruchstoleranz dabei einen wesentlichen Treiber ausmacht, bedarf ob seiner Selbstverständlichkeit kaum noch der Erwähnung. Kommt es in dem ein oder anderen Fall auch recht unversöhnlich daher, so schwingen doch im Widersprechen und in dem, worauf es sich richtet, immer Optionen mit, die auf eine Lösung, eine Synthese oder ein Darüberhinaus verweisen. Das sieht anders aus, wenn etwas zusammengefügt auftritt, das eigentlich nicht zusammenpasst, ja an sich unvereinbar erscheint. „Hassliebe“, „bittersüß“, „teuflisch gut“, „stummer Schrei“, „geordnetes Chaos“, „exakte Schätzung“, „vorläufiges Endergebnis“, „Feuerwasser“, „Heiliger Krieg“ oder „Wonneschmerz‘“ mögen als Beispiele dafür dienen. Es handelt … weiterlesen
Wahrheit ist ein Prozess
Als Absolutheitsbegriff duldet „Wahrheit“ keinen Widerspruch. Während alle, auf Fundamentales sich richtende Begriffe und Verständnisse normalerweise eines Bezugssystems bedürfen, wie etwa Zeit und Geschwindigkeit, ist dies bei Wahrheit anders. Ihr obliegt das Ganze an sich, unabhängig von Zeit und Raum. Ähnlich wie der Begriff „Gott“. Das Bedingte, der Mensch, allerdings kann das Absolute nie vollständig umfassen. Insofern ist jeder Absolutheitsbegriff in Verbindung mit menschlichem Vermögen eine Täuschung, zumindest aber eine unkalkulierbare Unzulänglichkeit. Das betrifft neben Wahrheit etwa auch das wissenschaftliche und journalistische Ideal der Objektivität. Es mag die Wahrheit geben, aber sie ist uns nicht zugänglich. Jedoch scheint es möglich, … weiterlesen
Tanzende Tränen. Die heilige Paradoxie der Sehnsucht
Angesichts zerfließender Gewissheiten melden sich in der gegenwärtigen Weltzeitstunde verstärkt die uralten Fragen zu Wort: Wo ist da Sinn, wo leuchtet Orientierung, was gibt Halt?Was bleibt, da absehbar ist, dass des Menschen Tun ihn mit Folgen konfrontiert, die das kulturelle und zivilisatorische Fundament erodieren lassen?Welche Kraft stärkt im Hindurch?Was führt in eine neue Zeit, wenn all die äußeren Dinge ihren Glanz verloren haben? Seit je wirkt eine Urkraft, die uns durch die Evolution begleitet und, wenn wir es zulassen, wachsen lässt. Es ist die Sehnsucht. In ihr findet jegliche Frage eine Antwort. Denn der Mensch wird Mensch erst durch sie – … weiterlesen
Vom poetischen Wert der Sprachlosigkeit
Ein Gastbeitrag von Mike Kauschke Das Leben macht uns sprachlos. Immer wieder. In der letzten Zeit ist es mir noch einmal intensiver bewusst geworden, wie ich angesichts von Geschichten von Menschen aus dem Krieg in der Ukraine oder des Artensterbens und der Vernichtung der lebendigen Mitwelt sprachlos werde. Ebenso in Gesprächen, die sich den letzten Fragen des Menschseins nähern, wie Leiden und Tod. Aber auch in der Begegnung mit überwältigender Schönheit.Diese Sprachlosigkeit ist mir kostbar geworden, heilsam. Denn in solchen Momenten der Sprachlosigkeit kommt das gewohnte Denken zum Erliegen, läuft sich aus. Alles, was mir als Wissen zur Verfügung steht, … weiterlesen