„Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort…“

ClausAllgemein

…formuliert Rainer Maria Rilke. Denn nur zu oft kennen sie keine Zurückhaltung, keine Scham und keine Ehrfurcht.

Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Wie viel mehr als noch zu Rilkes Zeiten gilt dies in der Gegenwart. In dem Lärm, der uns allenthalben umgibt, dem Klang- und Bilderstrom, der das Wahrnehmungsuniversum überlaufen lässt. In dem sinnlosen Gerede und den endlosen Wiederholungen, bloß, um nicht schweigen zu müssen; bloß, um nicht mit der eigenen inneren Leere und Unruhe konfrontiert zu werden.

Alles wird benannt. Und jede Benennung ist immer auch Trennung. Sie grenzt ab, reklamiert und fordert das Eigensein. Nicht, dass auf die Benennung verzichtet werden könnte. Aber es braucht Um- und Vorsicht. Kommunikation will und soll verbinden, nicht spalten. Sie will dem Eigensein gerecht werden in einer Welt voller wunderbarer Einzigkeiten und nicht durch Urteile und Bewertungen voreilige Gewissheiten streuen; nicht Pauschalisierung an die Stelle behutsamer Differenzierung setzen.

Wie viele undurchdringbare Mauern errichten Worte, Gesten und Bilder vor einem scheuen Blick, der dem Geheimnisvollen in der Welt mit Respekt begegnen möchte.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Missverstehen wir das nicht als eine Absage an freudvolle Kommunikation und an manchmal überschäumende Wortfülle. Es geht um Bedacht! Denn jedes Wort hat Folgen und kann nicht ungeschehen gemacht werden.

So viel Ungefähres lebt in unserer Mitte, auch so viel Geheimnisvolles. Und vergessen wir nicht all Jenes, das unseres Schutzes, vor allem vor uns selber bedarf. Hier können wir lernen, bedachter zu werden, ohne damit Zuwendung zu versagen. Allerdings handelt es sich dann um eine Weise der Zuwendung, die nicht egozentrisch interveniert, sondern mitklingt in der Melodie des Lebens. Behutsam nähern wir uns dem Zauber des Seins an, nicht nur, was dessen mannigfache Erscheinungsformen anbelangt, sondern die schöpferische Wesenheit selbst.
Dabei hilft eine Differenzierung und Verfeinerung der Sinne. Das Außen, wahrgenommen in seinem Reichtum, Abgründe inbegriffen, verändert mit dieser Wahrnehmung auch das Innen. In der Folge differenziert es die Sprache mit, die Wahrgenommenem einen Ausdruck leihen will. Letztlich spiegelt das gesprochene Wort ja die Bewegungen in unserem inneren Resonanzraum. Und so ist dessen Verfeinerung Voraussetzung für eine Wortbildung und Ausdrucksweise, die mehr meint als nur ein Sich-Verständlich-Machen.

Beseelende Kommunikation sucht den absichtslosen Ausdruck, der nur beschreiben, ein Sprachbild zeichnen will, fern eines jeglichen Um-Zu. Ohne Warum sei dann das Wort, so wie die Rose, von der Angelus Silesius spricht.

„Die Ros ist ohn warum;
sie blühet weil sie blühet,
sie acht nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie siehet. “

Wie unendlich viel kann das menschliche Wort von der Natur lernen. Im Rauschen des Windes, dem plätschernden Wasser, den wispernden Blättern, den singenden Vögeln und dem Schweigen der Nacht spielt sie die reinste Musik. Auch wenn wir heute die Orte suchen – oder vielleicht neu schaffen – müssen, wo solche akustische Ursprünglichkeit nicht vom Lärm der Maschinen und dem besinnungslosen Singsang der medialen Apparate zerfleddert wird.

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Das Foto zu diesem Beitrag habe ich auf Skye gemacht, einer Insel der inneren Hebriden vor Schottland.