Marc Aurel, Philosoph und römische Kaiser, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte, wies dem Menschen zu, wie ein Fels zu sein, „an dem sich beständig die Wellen brechen. Er bleibt stehen, und rings um ihn legen sich die angeschwollenen Gewässer.“
Je unruhiger die Zeiten, je stärker das Zerfließen sogenannter Gewissheiten und Sicherheiten ist, desto bedeutender sind Institutionen und Menschen, die für Beständigkeit stehen und diese ausstrahlen. Eine gelassene Unerschütterlichkeit durchsteht all jene kulturellen und gesellschaftlichen Strömungen, die lärmend auf sich aufmerksam machen, große Wirbel verursachen, nur um dann der nächsten sich aufbauschenden Welle zu weichen.
Auch wenn der Mensch kein Fels sein kann und nicht für dessen schroffe Härte stehen sollte: Es braucht eine felsenhafte Grundhaltung, eine in sich ruhende Klarheit in wankelmütigen Zeiten. Besonders, wenn das Ethos des Lebens zur Disposition steht, ist solches gefordert. Dann heißt es, lebensdienlich zu denken, zu argumentieren und vor allem zu handeln – ohne dabei den Prozessen von Werden, Wandel und Vergehen den Respekt zu versagen.
In einer sich zerstörenden und die Menschen zutiefst verstörenden Welt ist es der Fels in uns, der Ruhe bewahrt und den Überblick. Dabei geht es nicht um den Anspruch von Wahrheit, sondern den einer überzeitlichen Gewissheit. Sie bewahrt, was auch geschehe, den Blick auf das Umfassende und Absolute des Seins, ohne dabei die Empathie mit dem gegenwärtig sich Vollziehenden aufzugeben. Klärung durch Distanz bei gleichzeitiger Eingebundenheit sollten sich nicht ausschließen.
Der Fels, von dem wir hier sprechen, ist einer der Mentalität. Und deshalb versagt sich Unerschütterlichkeit nicht der Berührung, ja der Erschütterung durch das Leid der Welt. Klarheit sowie Liebe haben sich noch nie ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil. Sie brauchen einander – wenn Klarheit nicht eiskalt und Liebe nicht rein sentimental sein will.
Wie aber findet sich diese Unerschütterlichkeit? Selten fällt sie dem Menschen einfach zu. Und Lebenserfahrung alleine reicht nur im Vorraum existentiellen Geschehens.
Wenn an dem Fundament des Seins gerührt wird, ruft unsere Orientierung nach innerer Weite. Diese öffnet sich aus einer transzendenten Dimension. Mögen die einzelnen Dinge auch nicht vorherbestimmt sein, so folgen sie doch einem evolutionären Gesetz, einem kosmischen Plan. Darin gilt das Prinzip des Gleichgewichts, der Balance. Schaffen Dissonanzen, Irritationen oder Katastrophen ein Ungleichgewicht, reagieren die Grundsätze von Resonanz und Harmonie. Aus menschlicher Sicht mag sich das dann durchaus schmerzhaft, ja vielleicht sogar desaströs anfühlen. Denn es löst die alten Gleichgewichte und entsprechenden „Sicherheiten“ auf und formt neue, mit angepassten inneren Gesetzmäßigkeiten und veränderten Beziehungsmustern und Vernetzungen.
Evolutionäres Geschehen und auch kulturelle Entwicklung können als eine Art Organismus betrachtet werden. Dieser folgt keiner anderen Anforderung, als Gleichgewicht und Harmonie sicher- bzw. auf neuem Niveau immer wieder herzustellen. Dies zu erkennen und es handlungs- und verhaltensorientiert in das eigene Leben zu transformieren, meint in der alten Sprache der Tugenden Klugheit.
Das Felsenhafte im Menschen dient der konvivialen Gestaltung der Welt, ohne ihr Sklave zu werden und ohne hinter das einmal als richtig Erkannte wieder opportunistisch oder feige zurückzufallen. Es umschreibt so die kardinale Tugend der Tapferkeit.
Das Felsenhafte wirkt nach zwei Seiten. Den Mitmenschen signalisiert es Klarheit, Orientierung und Verlässlichkeit. Uns selber schenkt es Halt und ein letztes Vertrauen, selbst wenn das Leben gerade zum Weinen ist.
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Nahe seines Gartenhauses im Park an der Ilm zu Weimar befindet sich eine für die damalige Zeit völlig ungewöhnliche, weil abstrakte Skulptur, die Johann Wolfgang von Goethe dort errichten ließ. „Der Stein des guten Glücks“ ist eine große Kugel, die auf einem Kubus ruht, der für Beständigkeit und Stabilität steht. Von der Kugeloberfläche habe ich das Foto zu diesem Beitrag gemacht.
Der nächste Blogbeitrag erscheint vermutlich erst Ende des Monats.