Nr. 27

ClausAllgemein

Betrachten wir die letzte Klimakonferenz als eine Erzählweise für Vernunft, Verantwortung und menschliches Vermögen – so stehen wir vor einem Menetekel. An die Wand der Geschichte wurde ein ultimatives Zeugnis des Versagens gemalt. Die erdpolitischen Folgen werden verheerend sein.

Was die Bedrohungen durch den Klimawandel betrifft, wurde nichts getan, im Gegenteil. Sicher – ein Folgenausgleich-Fonds für ärmere Länder soll kommen, so dass man gewiss sagen kann: Wenn wir uns schon hochbewusst und sehenden Auges für die Katastrophe entscheiden, dann mag es dabei doch wenigstens etwas gerechter zugehen und mit nicht ganz so schlechtem Gewissen seitens der Haupt-Verursacher-Staaten gegenüber den armen Schluckern.

Den schwarzen Peter Nationen zuzuschieben, die in gnadenlosem Egoismus, unersättlicher Geldgier und korrupter Verantwortungslosigkeit agieren, liegt einerseits nahe. Und gleichzeitig wäre das zu einfach. Der Wille für eine wirkliche Umkehr fehlt global. Und er nimmt wohl kein Land aus. Schauen wir deshalb auf uns…

Der Krieg in der Ukraine hat die Fragilität der Energieversorgung deutlich gemacht. Mit Folgen für jeden Bürger. Diese Folgen, die wir erleben, kann man als die Andeutung eines Vorgeschmacks dessen sehen, womit in einigen Jahren die Menschen konfrontiert sein werden. Wir hätten lernen können, uns noch schneller umzustellen, die Alltagsgewohnheiten einschneidend zu verändern – jede Frau, jeder Mann, jedes Unternehmen, jede Behörde. Und das nicht nur, weil es ans Geld geht – sondern aus Verantwortung für die Kommenden, aus Einsicht in die mörderische Spirale des Konsumismus, aus Liebe zum Leben – selbst dem kleinsten. Stattdessen investieren die Verantwortungsträger wirklich notwendig für einen Wandel gebrauchte Mittel in eine Politik mit der Grundaussage: „Wir sind bei euch! Ihr dürft so weitermachen wie bisher. Vater Staat regelt das.“ Jedem leiblichen Vater müsste dafür das Sorgerecht entzogen werden. Und Gewerkschaften faseln nach dem fast zehnprozentigen Tarifabschluss in der Metallindustrie, dass dies dem Kaufkraftschwund entgegenwirke und den Konsum befördere, was ja gut für alle sei. Wäre es nicht so erschreckend real, müsste man den Fernseher für das irre Drehbuch, das dieser daily soap zugrunde liegt, ausschalten.

Keine Frage. Was gerade passiert, ist für sehr viele Menschen nicht leicht zu bewältigen. Aber man kann es auch als einen vielleicht letzten Fingerzeig sehen, Konsequenzen zu ziehen, bevor es wirklich drastisch wird. Sich einüben in die Unwirtlichkeit, ohne daran zu verzweifeln. Dass diejenigen, die das aus eigener ökonomischer, körperlicher oder seelischer Kraft nicht schaffen, Unterstützung benötigen und Begleitung – das steht außer Frage. Aber wurde schon einmal darüber gesprochen, wie diese Hilfe aussehen kann, wirkliche Hilfe, die sich nicht auf Gießkannen-Milliarden beschränkt?
Tafeln, nicht nur für den Esstisch, Tafeln auch für die politische und staatsbürgerliche Bildung in Ausnahmezeiten, die Stärkung der Solidargemeinschaften und die seelische Nahrung. LEBENS-Mittel beschränken sich doch nicht auf Brot, Butter und Gemüse…

Stattdessen werden die Frauen und Männer der sogenannten „Letzten Generation“ kriminalisiert. Weil sie Straßen blockieren und das „Recht“ „freier“ Bürger auf „freie Fahrt“ behindern. Wer sich kompromisslos, ohne sich selbst zu schützen, für die Erde einsetzt und dabei Konsumgewohnheiten stört, steht am Pranger. Wer mit fossilem Bewusstsein fossile Politik betreibt und sich fossil auslebt, repräsentiert den Staat und das Bürgertum, das solange pflegeleicht und wahlkonform ist, wie seine Kühlschränke und Tanks voll sind.

Nr. 27 hat gezeigt, dass wir es nicht hinbekommen. Wir sind evolutionär einfach nicht auf dem Niveau selbstloser Liebe zu unserem Heimatplaneten und dem Leben, das er hervorgebracht hat. Wir haben uns, um mit dem bedeutenden Sozialpsychologen Erich Fromm (1900-1980) zu sprechen, für das Haben entschieden und gegen das seelisch tiefe Sein. Allein aus Selbstachtung und einem Rest an Verantwortung für die Kommenden, lässt sich jedoch wenigstens die notwendige Haltung im eigenen Lebensumfeld Stück für Stück kultivieren. Auch wenn das wahrhaft nicht leicht ist. Alle sind wir ja zutiefst in lebensfeindliche Strukturen eingebunden und mit ihnen verflochten.
Den „Rest“ wird Mutter Erde selber regeln und Vater Staat dabei ziemlich alt und gebrechlich aussehen lassen. Mag sein, dass wir uns dann nach den Tagen zurücksehnen, wo zwar nicht alles, aber noch vieles möglich gewesen wäre.

Das Narrativ des biblischen Menetekels (Daniel 5,25), die unheilverkündende Warnung, wollte aufrütteln, ermahnen. Anstoßen zu erkennen, das denkbar Schlimmste immer mit im Spiel zu halten und nicht der Versuchung zu erliegen, es solange zu übersehen und zu verharmlosen, bis es begonnen hat, Wirklichkeit zu werden.

Die apokalyptischen Reiter, die vom Kampf gegen das Unrecht, von Krieg, Elend und Tod nicht nur künden, sondern diese bringen, sind längst auf dem Weg – um im biblischen Bild, diesmal aus der Offenbarung des Johannes zu bleiben (Offb. 6,1-8). Die gelebte Ehrfurcht vor dem Leben (Albert Schweitzer), in ihrer tiefsten Bedeutung und Wahrnehmung, die Entscheidung für das Sein, hätte sie besänftigen und im Zaume halten können. Und es wird diese Haltung sein, aus der eines Tages auf den Trümmern des Gegenwärtigen eine neue und lebensdienliche Weltordnung entstehen kann. Grundsätzlich tragen Menschen dieses Potential in sich. Weil sie ja nicht nur destruktiv und gefräßig, sondern eigentlich auch ziemlich schön sind.
Und vielleicht hat die notwendige Transformation ja bereits in vielen kleinen Schritten begonnen, und wir nehmen sie nur noch nicht richtig wahr. Manchmal hat es den Anschein…

Zum Anhören klicken Sie bitte hier
Wenn Sie meinen Blog abonnieren möchten, klicken Sie bitte hier