Manche heiligen Schriften werden auch als „Frohe Botschaft“ oder „Gute Nachricht“ bezeichnet. Völlig unabhängig von spezifischen historischen Konstellationen und Herausforderungen weisen ihre Essenzen auf Wege der Heilung und des Dienstes am Leben hin. In der Bergpredigt und den Gleichnissen Jesu etwa erschließt sich nahezu der gesamte ethische Horizont, wenn man es nur tief genug durchdenkt und durchspürt.
Warum aber wirken so viele Menschen, die die Botschaft doch kennen, selber so unfroh, abweisend, ängstlich und verbittert? Warum breitet sich so leicht Fatalismus aus und ein Sich Ergeben in angeblich Unabwendbares? Was an der guten Nachricht ist unklar? Dass das Leben anders spielt? Die Kultur so zersplittert, materialistisch, aggressiv und aufgeladen wirkt?
Vielleicht liegt ein großes Problem darin, zu sehr auf das Außen und die Anderen zu schauen, statt auf sich selbst. Es gibt keine Alternative zum eigenen Beispiel. Versagen und Scheitern genau so mitbedacht wie der Mut zum Neubeginn. Was allerdings daraus folgert, führt nicht selten an den Rand kultureller Wahrnehmungs- und Handlungsroutinen:
Fehler einzugestehen; ungute Eigenschaften, auch wenn sich in ihnen Mainstream ausdrückt, zu überwinden; den konsequenten und beharrlichen Dialog mit dem als Feind Deklarierten zu suchen; zu deeskalieren, wo feststehende wohlfeile Empörungsurteile nur der Selbstbestätigung und Aufheizung dienen; jeglichen Empörungsautomatismus durch ein unerwartetes Verhalten außer Kraft zu setzen. Die Szenerie Jesu mit der Ehebrecherin (Johannes 7,53–8,11) gibt dafür Beispiel. Und sie beginnt inmitten des Geschehens eine neue Erzählweise – überraschend, undogmatisch, in sanfter Klarheit, von essentieller Liebe getragen.
Die Vorstellung eines idealen, für lebensdienlich befundenen Seins dient als inneres Mantra. Es bestimmt und skaliert das Wach- und Alltagsbewusstsein. Es fordert Hingabebereitschaft.
Belächelt zu werden, beantworten Lebensorientierung und Lebenszuwendung mit Haltung. Im schlichten Kostüm des „heiligen“ Narren nimmt sich das Selbst als wohlgekleidet wahr. Wissend auch, dass aus dem selbstbezüglichen Materialismus nur Einsamkeit resultieren kann, versinnbildlicht in wachsender und sich abwendender Verhärtung.
Die in der vordergründigen Welt unvermeidbaren Desillusionierungen und die daraus sich ausbreitende Leere bedürfen spielerischer und aus Leichtigkeit geborener Zuwendung. Regeln und Normen, die Fragezeichen in der Seele halten und das Gewissen sich regen lassen, rufen nach Überwindung. Dann füllen Räume sich neu.
Das Reich des strebenden Geistigen ist existentiell darauf angewiesen, in die Sichtbarkeit geführt und dort gehalten zu werden, erspürbar, ja manchmal mit den Sinnen verschmolzen. Stärkung erwächst dabei aus metaphysischem Vertrauen, aus Zusage und Gewissheit letztendlicher Gnade.
So begegnet ein Mensch der Erfahrung, worum es eigentlich in der guten Nachricht geht. So findet er zur eigenen Tiefe, die mit der geistigen Tiefe korrespondiert und in der jegliche „Leere“ und jegliches „Nichtwissen“ reichhaltiger sind als eine nach stumpfer Aufmerksamkeit gierende Medien-Kultur. So schärfen sich durch Lebens-Zuwendung die im Alltagstrott langsam erblindenden Augen einer ans Herz gehenden Empfindsamkeit.
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