Mein Smart-TV hatte ich gerade als Narkotikum in ein Altenheim gegeben; das Smartphone einem Obdachlosen geschenkt; das Abo der regionalen Zeitung der nächsten JVA überlassen. Endlich frei!
Ein Nachbar kam an unserem Garten vorbei. Er äußerte sich entsetzt über die Kriege und all das Unrecht auf der Welt.
Was für eine betörenden Pracht die Rosen hatten, die ich gerade beschnitt.
In meinem Lieblingscafé setzte sich ein Bekannter zu mir. Die Waldbrände kämen jetzt auch nach Deutschland, merkte er mit mahnendem Unterton an. Die Regierung versage wieder einmal auf ganzer Linie.
Angenehm fiel mir auf, dass mein Milchkaffee bei den hohen Temperaturen deutlich langsamer abkühlte.
„Das musst Du Dir anschauen“, rief meine Frau, die mit ihrem Tablet im Wohnzimmer saß. „Ganz schrecklich!“
Still las ich im Nachbarzimmer weiter im „Glasperlenspiel“. Meine Hörgeräte legte ich gut sichtbar neben mich.
Irgendwo heulten Sirenen.
‚Mal wieder zu viele Motorräder mit viel zu hoher Geschwindigkeit heute unterwegs‘, schoss es mir durch den Kopf. Freudig überrascht bemerkte ich, dass unser Eichhörnchen in der Vogeltränke badete.
Den Straßenverkehr missachtend, schimpfte eine Frau über den Gartenzaun hinweg zu ihrer Nachbarin: „Wenn man denen keine Arbeit gäbe, würden sie schneller wieder dahin verschwinden, wo sie hergekommen sind“.
Ich blieb kurz auf dem Bürgersteig stehen, um Platz zu machen für den jungen Syrer, der ihr eiligen Schritts und lächelnd ein Paket übergab.
Ein kleines Mädchen verwickelte mich im Regionalzug nach Münster in ein Gespräch über Einhörner.
Wir tauschten unsere Erfahrungen, die sich frappierend ähnelten, aus. Dann versprachen wir uns, all die Einhörner zu retten, für die kein Platz mehr im Schulunterricht war.
Alles ist doch gut … dachte ich bei mir.
Stumm verschwand die Sonne hinter dem Horizont.
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