Es ist November

ClausAllgemein

Die ersten sogenannten Weihnachtsmärkte seit Anfang des Monats geöffnet. Jecken dominieren bereits wieder die Lokalseiten der verbliebenen Zeitungen. Wie Zugvögel fliehen Rentner in den warmen Süden. Ein Nachbar schimpft über das Laub im Garten und auf den Wegen.
Es ist November.

Im Wind tanzen fallende Blätter; inmitten schenken letzte Blumen des Jahres noch einmal ein Leuchten. Schwächer werdende Sonnenstrahlen verleihen allem sich Neigenden einen bunten Glanz des Vergehens. Vorsichtig hebt er sich ab vor den dunkler scheinenden Ästen und Stämmen der Bäume.
Es ist November.

Kürzer werdende Tage befreien das innere Licht. Es wird nicht mehr abgelenkt durch den sommerlichen Wettstreit prallen Lebens in der Natur und auf den Aperolgeschwängerten Straßen der Stadt.
Es ist November.
 
Nebelschwaden packen die Umgebung in Watte. Sie schenken dem Banalen einen Hauch von Geheimnis. Wie silberne Perlen glänzt die Feuchtigkeit, die sich in den Tropfen an Zweigen und zwischen Weben verdichtet.
Der Duft des zusammengerechten Laubes lässt Vergänglichkeit und Loslassen im Atem erfahren.
Still vollzieht sich die Rebellion gegen drängendes Wachsen und eingeforderte Beschwingtheit.
Es ist November.

Jener so eigene Monat. In erhabener Melancholie ragt er aus dem Jahreszyklus heraus. Eine zarte Aura schmückt sein Kleid. Sie schwebt zwischen Erinnerung, Andacht, Rückzug und Selbstbesinnung. Die kontemplative Pause der Natur sieht sich eingerahmt und eingebettet von Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag und Totensonntag.
Es ist November.

Er macht den Unterschied.
Innehaltender Moment zwischen dem Ein- und Ausatem des dahineilenden Jahres. Existentielle Vergegenwärtigung.
Die fallenden Blätter und das Gedenken an unsere Gegangenen mahnen die Bewusstheit eigener Vergänglichkeit an. Und manche Blätter fallen früh, während andere noch den Frost erwarten. Doch wann du auch fällst, wann auch immer deine Lebenszeit sich dem Ende zuneigt – Mutter Erde trägt und nimmt dich auf, so wie jede verwelkende Blume. Mag im Lebensstrom das Bewusstsein uns in Trennung halten. Im Tod werden wir wieder eins mit Natur und Kosmos. Im letzten Atemzug zerfließt jegliche Differenz.

Den November nicht fliehen.
Ihn leben und durchleben.
Mit seiner Trauer, Melancholie und leisen Wehmut; aber auch den gewärmten Stuben in kälter werdenden Tagen; und der angezündeten Kerze im Gotteshaus, die an das unvergängliche ewige Licht in der Menschenseele erinnert.

So kann der Advent sich vorbereiten. Still im Hintergrund der Sehnsucht langsam die Tür öffnen. Aus der Energie des Abschieds in das Feld zuversichtlicher Erwartung. Mit einer Verneigung vor dem gehenden Monat und offenen Armen für die kommende Zeit.

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