Innere Ausrichtung

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Wir haben immer Möglichkeiten. Jede Ohnmacht, jedes Scheitern und auch schlicht jede existentielle Frage führen uns zu Optionen, sich dem Leben neu zuzuwenden. Gleichzeitig sind unsere Möglichkeiten endlich. Das erfordert Orientierung, Bereitschaft zur Auswahl und Entscheidungsklarheit. Die ersehnte Neupositionierung im Leben verweist damit auf die Vorbedingung  einer sinnstiftenden und kräftigenden Instanz. Wir brauchen eine Vorstellung, ja die innere Gewissheit davon, wohin wir wollen. Es geht dann um nicht mehr und nicht weniger als den nächsten Schritt im Streben nach der uns als Person möglichen Weise der Vollendung. Dabei gilt es, sich weder zu mindern, noch einer Selbstüberschätzung zu erliegen, noch … weiterlesen

Versuchung und Willensfreiheit

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Wenn wir Menschwerdung als die Befreiung zur bewussten Entscheidung verstehen, dann kann es eine grundsätzliche Vorbestimmung des Lebens, auch zum Bösen, nicht geben. Wohl aber verfügt jedes menschliche Wesen über Spielräume an Anlagen, Vermögen und Erfahrungen, innerhalb derer er sich zum Guten oder zum Bösen hin entscheiden kann. Gut und Böse treten, so besehen, ins Sein als Konsequenz eines Willensaktes. Auf ihm beruht jedes bewusste Handeln, jedes Tun oder Nicht-Tun. Dieser Wille kann hinsichtlich der Frage von Gut und Böse nicht neutral sein. Und dies trifft sowohl auf den Willen zu, der aus der Freiheit als Wahl resultiert, als auch … weiterlesen

Der Sündenbock

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In der Sündenbocksymbolik und im Sündenbockritual haben Gemeinschaften und Kulturen einen Weg gefunden, um kollektive Unzufriedenheit und Gewaltbereitschaft zu disziplinieren. Das biblische Buch Levitikus schildert die Entstehungsgeschichte dieses Rituals, das am Tag der Sündenvergebung, Jom Kippur, das Volk Israel symbolisch von seiner Schuld befreit. Gott weist Mose an, wie das Ritual zu vollziehen ist: Neben zwei Opfertieren für ein Sünd- und für ein Brandopfer soll zu Aaron ein lebender Bock gebracht werden. „Aaron soll seine beiden Hände auf den Kopf des lebenden Bockes legen und über ihm alle Sünden der Israeliten, alle ihre Frevel und alle ihre Fehler bekennen. Nachdem … weiterlesen

Das Begehren als Motor des Systems

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„Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Matthäus 6;21)   Die herrschende Ökonomie sucht die edle Sehnsucht des Menschen vom unbedingten, zeitlosen und wahren Gut hin zum bedingten und austauschbaren zu bewegen. Denn hängt das Herz erst einmal am Ding, kann es beliebig manipuliert werden. Zerbricht eine mit Dingen verbundene Sehnsucht, Erwartung oder Hoffnung, so hält die Schatztruhe der Verführung zahllose glitzernde Ersatzstoffe und Sinnplacebos parat. Nun tritt die Begehrlichkeit ins Spiel. Sie führt in die Versuchung und wenn sie dieser nachgibt in die Verfehlung. Begehrlichkeit als maßloses Wollen trägt und verhärtet die Ich-Struktur. Sie streckt sich nach … weiterlesen

Mystik ist Politik

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Geläufig ist die Trennung zwischen Kampf und Kontemplation, zwischen Spiritualität und Alltagspraxis, zwischen einem mystischen Weltzugang und der Gestaltung des gesellschaftlichen und kulturellen Raumes, den wir Politik nennen. Doch das jeweils eine ist komplementärer und damit untrennbarer Teil des anderen. Beide gelangen erst im Licht des Miteinander zu wahrer Reife. Und so lässt sich sagen: Der mystische Lebensstil ist politisch in höchstem Maße! Er steht als unüberbietbares Aufbruchs- und Umkehrzeichen im nihilistischen Getriebe der Gegenwart. An ihm prallen die Obszönitäten einer Macht-, Haben- und egobesessenen Welt ab, in der „Sachzwänge“ den Menschen unterwerfen und ihn gleichzeitig zum Anhängsel und Diener … weiterlesen

Notwehr und Vergeltung

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Zur Verhinderung größeren Unrechts oder Übels lässt sich gewalthaftes Handeln nie vollständig ausschließen. Doch das erfordert von uns dann zunächst, die Opferperspektive und die Perspektive des Gegners einzunehmen. Erst die Blickweise und die möglichen Empfindungen des Anderen vermögen mir zu zeigen, ob meine Motive echt und wahrhaftig sind. Speziell die Gegnerperspektive leistet einen wichtigen Beitrag, mich davor zu bewahren, den Anderen zu demütigen oder seiner Würde zu berauben. Erst diese Orientierung eröffnet möglicherweise auch noch die Option des Gewaltverzichts. Durch die Perspektive des anderen Menschen und des anderen Lebens insgesamt werde ich auch im Konfliktfall zum Bewusstsein der Einheit des … weiterlesen

Gewalt und Feigheit

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Unsere Zeit leidet an überbordender Gewalt. Sie leidet zugleich an mangelndem Aufbegehren gegenüber Gewalt und Gewaltverhältnissen. Gewalt hat überall da freie Bahn, wo ihr keine Zivilcourage gegenübertritt. Manche lammfromm auftretende Zeitgenossen, die der Gewalt vor ihren Augen ausweichen, erweisen sich dann eben bloß als feige. Der Friedenskämpfer und moderne Prophet der Gewaltlosigkeit, Mahatma Gandhi, schrieb 1924: „Meine Gewaltlosigkeit erlaubt es nicht, vor der Gefahr wegzulaufen und seine Lieben ohne Schutz zu lassen. Wenn die Wahl zwischen Gewalttätigkeit und feiger Flucht zu treffen ist, dann ziehe ich die Gewalttätigkeit vor…Gewaltlosigkeit ist der Gipfel der Tapferkeit…Ich begann, Gewaltlosigkeit erst dann zu schätzen, … weiterlesen

Radikalisierte Zeit

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Wir sind inmitten der Woche, in der es um Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Klärung geht. Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag… Das letzte gemeinsame Mahl – oder auch: Göttliches und Menschliches an einem Tisch vereint… Verrat, Demütigung, Nichtverstehen, Leiden, Einsamkeit, Tod… Abgrundtiefe Stille, Leere, das empfundene Nichts… Wandlung, Erwachen, Neubeginn… Wir werden mit exemplarischen Lebensstationen konfrontiert, die jedem von uns in jeder Stunde begegnen können; manchmal auch als Täter, manchmal als Opfer. Und jeweils ist es eine besondere, eine herausragende Zeit. Auf ihre Weise enthält sie unendlich viel an Erfahrung, Erkennen und Transformation. Es ist Kairos-Zeit. Etwas bricht auf existentielle Weise ein in … weiterlesen

Ahimsa

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Mahatma Gandhi führte auch in den westlichen Kulturraum den Begriff Ahimsa ein. Er prägt die Ethik in allen fernöstlichen Religionen. Gandhi selber übersetzte ihn als „spirit of nonviolence“: Geist des Nichtverletzens. Er gilt gegenüber allem Leben, nicht nur dem des Menschen. Wo wir uns nicht bereithalten, schwächeres Leben mit unseren Möglichkeiten zu schützen, machen wir uns schuldig. Das Nichtverletzen heute steht allerdings nicht nur im Vorzeichen des Respekts, der Ehrfurcht und der Würdehaftigkeit allen Seins, es muss auch der Pflege, der Bewahrung und der Wiederherstellung von Lebensvielfalt dienen. Aus Vielfalt besteht das Wesen der Schöpfung. In Vielfalt will das Kleid … weiterlesen

Die Kraft des Mitleids

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Das Mitleid hat es schwer in unserer Zeit. Die Menschheit wird von Bildern des Leids in einem Maße überschwemmt, dass feinere und unterscheidbare Empfindungen ersticken. Fremdes, telegen zugerichtetes Leid, dient als Stilmittel und Quotenbeschaffer für das Universum der elektronischen Medien und der Presse und zugleich bedient es voyeuristische Instinkte der Mediennutzer. Zu dieser Ausbeutung des Leids treten Gewöhnung und Abstumpfung. Dahinter kann sich dann umso besser verbergen, was an Leid dem Blick der Öffentlichkeit und des Einzelnen bewusst entzogen werden soll. Wo die Kraft des Mitleids sich nicht kultiviert und entfaltet, dort sehen wir uns mit innerer Verhärtung und Verrohung … weiterlesen