Wir haben immer Möglichkeiten. Jede Ohnmacht, jedes Scheitern und auch schlicht jede existentielle Frage führen uns zu Optionen, sich dem Leben neu zuzuwenden. Gleichzeitig sind unsere Möglichkeiten endlich. Das erfordert Orientierung, Bereitschaft zur Auswahl und Entscheidungsklarheit. Die ersehnte Neupositionierung im Leben verweist damit auf die Vorbedingung einer sinnstiftenden und kräftigenden Instanz. Wir brauchen eine Vorstellung, ja die innere Gewissheit davon, wohin wir wollen. Es geht dann um nicht mehr und nicht weniger als den nächsten Schritt im Streben nach der uns als Person möglichen Weise der Vollendung. Dabei gilt es, sich weder zu mindern, noch einer Selbstüberschätzung zu erliegen, noch in Trägheit (Acedia) zu verfallen. Zu allgegenwärtig ist nämlich die Versuchung in ihren verschiedenen Schattierungen. Niemals können wir ihrer Überwindung ganz sicher sein.
Zu dieser orientierenden Instanz weist Religion, religio, Rückbindung, den Weg, auch wenn sie ihn in Geschichte und Gegenwart selbst nur zu oft verlassen hat. In ihr ruht – und das ist entscheidend – das Potential und die überzeitliche Energie, um die Seele des Menschen bei seiner Suche nach dem Einen und Absoluten zu führen und zu stärken. Ist sie doch als Wurzelkraft getragen von der Weisheit und dem tiefen Wissen darum, dass, wie Augustinus es aussprach, das Herz des Menschen erst im Göttlichen zur Ruhe kommt. In alter Sprache:
Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te (Unruhig ist unser Herz bis es Ruhe findet in Dir).
Glaube und das aus ihm entstehende Vertrauen wachsen so zum Gegenpart der Verfehlung. Glaube meint hier nun allerdings nicht irgendein Gefühl in der Seele des Menschen, sondern, wie Martin Buber es formulierte, den „Eintritt in die Wirklichkeit, in die ganze Wirklichkeit, ohne Abstrich und Verkürzung.“
In dieser umfassenden Wirklichkeit zu leben, beendet das Verhängnis, sich selbst überlassen zu bleiben. Es schwächt die Anfälligkeit für das Lebensfeindliche, ohne sie ganz löschen zu können. Im Unterwegs-Sein zwischen den Höhen und Abgründen des Lebens leuchten die Gewissheiten der inneren Ausrichtung wie der Nordstern dem Wanderer in der Nacht.
Der Zugang zu Glaube und Vertrauen führt über die Sehnsucht des Menschen nach dem Absoluten und nach letzter Beheimatung. Hier ist nun wichtig zu betonen, dass in dieser Sehnsucht der Mensch in seiner stärksten Kraft und seinem wohl authentischsten Zustand lebt. Sie führt ihn, wenn auch auf völlig unkalkulierbaren Wegen. Sie hält in Bewegung, zieht auf die unterschiedlichsten Bühnen des Lebens. Als der rote Faden in der Existenz will sie zum Überschreiten führen. Darin liegt sie nahe am Traum, dieser wohl ursprünglichsten Freiheitsbewegung des Menschen.
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