Im Bereich des Möglichen

ClausAllgemein

Es wird Zeit, dass wir aufhören, uns etwas vorzumachen. Jene so selbstverliebten Selbstdarstellungen als Krone der Schöpfung waren schon immer eine Selbsttäuschung. Dem Zauber planetaren Seins sind die Menschen Totengräber. Das begann bereits vor hunderten von Jahren. Es tritt nun, mit der erzwungenen Einsicht in die Endlichkeit unserer Welt, nur so deutlich in die Sichtbarkeit. Die Erde, ein Organismus und Lebensraum, ist übersät mit Wunden, die sich nicht mehr von alleine schließen, nicht mehr verheilen. Nicht solange wir da sind und weiter wüten. 

Wir nehmen, wir zehren aus, wir verwüsten – durch Kriege, Raubbau, Zersiedlung, wahlloses Töten auf Land und in den Meeren, durch einen geradezu irren Konsum; durch unseren unreflektierten Vermehrungsdrang.
Was aber geben wir der Erde, womit speisen wir das Lebensnetz?
Ja, wir schufen die Musik und bereicherten den Klangraum des Seins ins Wunderbare hinein. Mit der Kunst brachten wir eine eigene Schöpfung in die Welt. Die über Jahrtausende angewachsene Geistesfülle wurde zu einer besonderen Sphäre. Die gelegentlich grandiose Architektur ein Spiegel naturhafter Außergewöhnlichkeiten. Und so manche Naturlandschaft erhielt durch so manche komplementäre Kulturlandschaften einen ganz eigenen Adel.
Doch lebensdienlich ist dies in der momentanen Erdzeitstunde zunächst nur indirekt, aber nicht in einem engeren, existentiellen Sinne. Denn solche Schönheitscharakteristika im Menschengeschlecht verbleiben noch im Stadium des Beiwerks. Für das Alltagshandeln haben sie kaum Relevanz. Ja dienen oft nur dazu, sich zu erholen vom Wüten gegen die Vernunft des Lebens, gegen das Gebot von Maß und Mitte.
Gewiss, wir schützen dies und das, legen Bio-Reservate an und so weiter. Das ist wohlgemeint, durchaus wichtig und wertzuschätzen. Aber es ist kein Geben! Es meint lediglich stolz darauf zu sein, etwas der Vernichtung und dem Missbrauch vorerst zu entziehen.

Geben meint – in Harmonie zu leben. In Harmonie leben meint, im Einklang mit dem Lebensnetz, gründend im Bewusstsein des Einsseins in Unterschiedlichkeit, sich bewegend in rücksichtsvoller Geschwisterlichkeit und einer liebenden, pflegenden Haltung. Davon sind die alten Programme und Ziele weit entfernt. Sie dienen bestenfalls  zum Schutz vor uns, aber unterstützen nicht die Mutter mit ihrer Lebensvielfalt, die sie hervorgebracht hat. Und sie verleugnen bzw. diskreditieren damit auch uns selbst als immanenten Teil des gesamten Organismus.
Können wir da überhaupt noch von Perspektiven der Rettung sprechen? Und was meint das dann? Meint es Rettung des Menschen vor den selbst verursachten Katastrophen? Was wäre daran positiv?
Oder meint es Rettung des Lebensnetzes vor dem Menschen? Das wäre innerhalb der gegenwärtigen Logik von Ökonomie, Politik und Gesellschaft nicht durch Vernunft zu bewerkstelligen, sondern nur durch seine in der gegenwärtigen Kultur angelegte Selbstvernichtung.

Es scheinen mir zwei Ebenen zu sein, die bleiben, um in ein neues Zeitalter der Beziehung von Erde und Mensch einzutreten. Beide fordern, in größtmöglicher und letztendlicher Konsequenz.

Da ist zunächst die Ebene der Korrektur, des Sich-Bescheidens und des weitgehenden Rückzugs aus den kolonisierten Räumen. Das hieße unter Anderem:
Selbstbegrenzung als Gattung. Will man die Erde nicht als Plantage zur Ernährung der Menschheit missverstehen, dann könnte Harmonie sich mit schätzungsweise ein bis zwei Milliarden Menschen herstellen. Das wäre auch für die Menschen selbst eine Größenordnung, die Entfaltung ermöglicht, anstelle der Käfighaltung in Megacitys und des Darbens in verkarsteten Regionen. Was aber hören wir? Aus demografischen und Renten- und Wohlstandsgründen brauche es mehr Geburten und Zuwanderung. Und vor allem noch mehr Ausplünderung des Planeten, Wachstum genannt.
Selbstbegrenzung im Verhalten und Konsum. Bescheidenheit, statt: „Ich will das, weil es mir gefällt. Koste es direkt und in den indirekten Folgen, was es wolle.“ Fülle an Lebensverantwortung also statt Discounter-Shopping-Selbstbedienungs-Bewusstsein.

Auf der zweiten und noch wesentlicheren Ebene bedarf es nicht, wie man immer wieder liest, eines radikalen Bewusstseinswandels, eines Turnaround. So etwas geht nicht, ist schon im Aussprechen zum Scheitern verurteilt. Es braucht viel weniger!
„Lediglich“ ein Zulassen dessen, was uns schon gegeben, was schon da ist und in uns lebt. Die schönen Kräfte, die sich nach Ästhetik strecken und ihr einen Ausdruck geben wollen. Die Befreiung der in uns ruhenden Sehnsucht nach Einssein und Verbundenheit. Die Stärkung der Kraft, die im Erspüren dessen entsteht, wie wenig Äußeres wir benötigen, weil so viel immer schon gegeben ist und unmittelbar vorhanden. Ein Zulassen der geistig getragenen Unendlichkeit, die sich auf unseren Innenwegen fortwährend öffnet. Einfach so.
Was jedoch vielleicht am Meisten erfordert, wartet mit der Frage: Dient das, was ich gerade zu tun gedenke, dem Lebensnetz bzw. schädigt es zumindest nicht…

Beide Ebenen folgen keiner zeitlichen Abfolge. Sie greifen spiralförmig ineinander und lenken ihre Energien gemeinsam auf ein höheres, so nie dagewesenes Niveau. Keinerlei weitere Anweisung oder Belehrung ist dann nötig. Alles spricht aus sich selbst.
Die geballte Bündelung der schönen Kräfte leuchtet als jederzeit mögliche Zukünftigkeit! Ob wir zu diesem großen Erwachen fähig sind, gerade auch bezogen auf die zu erbringenden Gewohnheits-Opfer und auszuhaltenden Härten, muss jede(r) sich sehr ehrlich selber fragen. Eine Politik, an die man delegieren könnte, gibt es dafür nicht. Die Antwort dann allerdings weist unmissverständlich in die Richtung dessen, was Mensch und Mutter Erde als Gemeinschaft im Grunde noch möglich ist.
Der Mensch als „Krone der Schöpfung“ … im Moment ein Hohn. Aber es liegt an sich durchaus im Bereich des uns Möglichen.

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Das Foto ist ein Ausschnitt aus dem Bild „Terra Mystica“ des Münsteraner Künstlers Ralf Schindler
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