In der Bewegung auf Pfingsten zu erhebt sich wie selbstverständlich die Frage nach dem Wesen dessen, was die Menschen Geist oder Heiliger Geist nennen. Kann man darunter eine Wesenheit, ein energetisches Feld oder eine Sphäre verstehen, wie sie etwa der christliche Mystiker Teilhard de Chardin, aber auch Natur- und Kulturwissenschaftler mit dem Begriff Noosphäre charakterisieren? Diese könnte man sich ähnlich der Atmosphäre, die unseren Planeten umgibt, vorstellen. Oder handelt es sich bei dem Reich des Geistes lediglich um eine Idee, ein Konzept, das des Menschen Sehnsucht nach Transzendenz befriedigt?
Vieles spricht für die Gleichzeitigkeit des unterschiedlich Benannten als einem eigenen Bereich der Realität. Obwohl wir es letztlich nicht wissen, gibt es eine viele Jahrtausende währende Gewissheit in den Kulturen der Menschheit. Sie scheint alles andere zu sein als eine Illusion bzw. Täuschung, wie sie überall dort konstatiert wird, wo man sich lediglich an äußeren Evidenzen orientiert und sich damit wesentlicher Möglichkeiten des Menschseins beraubt.
Der unbezwingbare Dualismus von Himmel und Erde, Geist und Materie bestimmt auch die Frage nach dem Reich des Geistigen. Dieser Dualismus scheint den Wahrnehmungsmöglichkeiten auf unserer Evolutionsstufe eingebrannt. Das Sein in seiner Umfassendheit jedoch ist komplementär. Ineinander verwoben präsentieren sich alle Dinge, Wesenheiten und Gegebenheiten, die sichtbaren und die unsichtbaren. Dies zeigt der Blick aus einer übergeordneten und überzeitlichen Perspektive, die nicht nur mit den äußeren Augen, sondern auch denen der Seele und denen eines sich selbst entgrenzenden Bewusstseins schaut. In der Metaperspektive verschwimmen die Trennlinien, die ansonsten durch die Sichtbarkeit gezogen werden. Von ihr her blickend, löst sich die Täuschung auf, dass das, was man nicht sehen und greifen kann auch nicht existiere.
Wer eine grundsätzliche Offenheit in sich trägt und wer das zugleich mit suchender Ausrichtung und Empfänglichkeit verbindet, dem offenbart sich ein weites Universum. Es schafft sich fortwährend neu – aus wechselseitiger Resonanz zwischen einerseits der menschlichen Seele, dem menschlichen Herz und dem menschlichen Bewusstsein, sowie zum anderen dem geistigen Kosmos. In jener „neuen Welt“ empfinden wir uns als teilhaftig mit dem Unsagbaren. Zu der Sehnsucht, dem Streben und der inneren Ausrichtung tritt die Empfindung, als sinnlich wahrnehmbare Regung, ja Berührung. Der Mensch ist bei sich angekommen, ruht in sich selbst, im größeren Selbst, das sich weit über Ich und Ego streckt. Der „Himmel“ zeigt sich in dir, als Welle nimmst du dich dem Meere zugehörig wahr – wie es der Mystiker Willigis Jäger in Bildern ausdrückte.
Im geistigen Universum liegt unsere eigentliche Heimat. Unabhängig von allen äußeren Orten und Gegebenheiten ist sie Raum der Orientierung, der Zuflucht und Geborgenheit. In Gewissheit und Vertrauen getragen, können die Gesetzmäßigkeiten der „äußeren“ Welt nur noch begrenzt in die Freiheit des Menschen intervenieren. Denn Freiheit ist durch die Öffnung unseres inneren Kosmos ins Grenzenlose erweitert; Heimat zu einem fließenden Prozess geworden, der nicht alleine an Orten, Landschaften, Menschen und darauf bezogenen Erinnerungen hängt.
Pfingstlich ausgedrückt, möge man formulieren, dass diese Heimat geisterfüllt ist und wir in stetiger Resonanz stehen, wenn wir es wollen, zulassen und unsere Resonanzräume entsprechend pflegen. Vor allem eine Kultur der Stille, eingebettet in eine kontemplative Haltung zeigt sich hier als unverzichtbar. Das „Pfingsten“ genannte Fest, 49 Tage nach dem Ostersonntag, erinnert daran. Die Luft, die unsere Seele atmet, ist jedoch immer von seinem Geist erfüllt.
Je mehr sich die durch Gesellschaft, Politik, Ökonomie und Kultur bestimmte Lebenswelt geschwächt, ja in Frage gestellt sieht, und je mehr die allfälligen Krisen der Beherrschbarkeit entgleiten, desto bedeutender wird die geistige Welt für den sich orientierenden Menschen. Der Halt, den er in einer Immanenz und Transzendenz umschließenden Seinsgewissheit findet, vermag allein jenes Vertrauen in die Prozesse des Lebens zu schenken, das Voraussetzung für ein konsequentes heilendes Handeln in der Welt ist. Denn der geisterfüllte Innenraum ist im Gegensatz zu den Erscheinungen und Koordinaten der äußeren Welt unvergänglich und damit im Letzten auch unangreifbar. Er trägt, auch wenn der Boden unter den Füßen zu schwinden scheint.
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