„Bei Strafe des Untergangs…“
Es existiert nichts im Universum und auf diesem Planeten, das unvergänglich wäre. Alles trägt von Anfang an den Keim seines wieder Verschwindens in sich. Das betrifft Arten und Formen des Lebens in der Biosphäre in gleicher Weise wie kulturelle Faktoren – wenngleich letztgenannte eine ungleich kürzere Verweildauer in ihrem Fenster der Geschichte haben. Auf den immer schon von der Evolution mitgedachten Untergang wies Karl Marx in einem doppelten Sinne hin. So werde der Sozialismus eines Tages den hinfälligen und zum Tode verurteilten Kapitalismus ablösen. Es mag sein, dass da eine Fehleinschätzung des Trierer Philosophen und Nationalökonomen auf mehreren Ebenen vorlag; zeitlich und damit hinsichtlich der Beharrungskraft und globalen Wucherung des Kapitalismus; aber auch was die Einschätzung der Möglichkeiten des Sozialismus anbelangt. Doch in der zeitlichen Fehleinschätzung geht es vielleicht um ein paar Jahrzehnte, bis sich das Raubtier Kapitalismus durch seine ihm innewohnenden Gesetzmäßigkeiten selber frisst. Viel bedeutender scheint, dass Marx den Untergang auch der Menschheit selbst mit im Blick hatte. Davon sprechen seine geologischen Studien, in denen er Menschheit und Erde als zwei Lebewesen sieht, die eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Es war für ihn die Frage, ob im Zuge dieser Symbiose unser Heimatplanet den die Arten zerstörenden Menschen eines Tages wieder abschüttelt. Keine Frage war es demgegenüber für ihn, dass die Verrohung und Verdummung des Menschen durch das, was wir Fortschritt nennen, mit der Selbstbedrohung verbunden ist. Auf einer Rede im April 1856 sagte er: „Die neuen Quellen des Reichtums verwandeln sich durch einen seltsamen Zauberbann zu Quellen der Not. Die Siege der Wissenschaft scheinen erkauft durch Verlust an Charakter. In dem Maße, wie die Menschheit die Natur bezwingt, scheint der Mensch durch andre Menschen oder durch seine eigne Niedertracht unterjocht zu werden…All unser Erfinden und unser ganzer Fortschritt scheinen darauf hinauszulaufen, daß sie materielle Kräfte mit geistigem Leben ausstatten und das menschliche Leben zu einer materiellen Kraft verdummen.“
Gerade in einer Weltzeitstunde, in der wir Menschen auf uns selbst bezogen deutlich spüren, dass das Pendel der Evolution bereits begonnen hat, umzuschlagen, der Planet uns die Folgen dessen spüren lässt, was wir angerichtet haben und weiter anrichten – gerade also, wo wir Vernunft, Weisheit und Liebe zum Leben benötigten: gerade jetzt offerieren wir noch immer das Gift der Vernichtung als Heilmittel für all unsere Sorgen…Wachstum, Konsum, Globalisierung, Technisierung. Man könnte das Credo der herrschenden Politik auch auf den Punkt bringen: „Lasst uns fröhlich konsumierend untergehen. Und wenn es zu heiß wird, benötigen wir doch einfach nur mehr Klimaanlagen und wohl temperierte SUVs…“
An dieser Stelle lege ich Wert darauf nicht falsch verstanden zu werden. Aus unserer Eigenwahrnehmung heraus sind wir Menschen wunderbare Wesen! Und wir verdienen Zuwendung und Liebe. Man könnte die Menschheit so auch umschreiben als: Schönheit in Entwicklung…
Doch es gibt einen anderen, einen evolutionären Blick, der vom Leben selber her sich auf uns richtet. Und da sind wir im Konzert der Arten und in der Beziehung zu Mutter Erde an einem Punkt angelangt, der uns als Parasiten brandmarkt. Es ist die unsentimentale Sichtweise. Sie weist uns darauf hin, dass wir das Gleichgewichts des Lebens so massiv gestört haben, dass dies letztendlich im Suizid enden muss. Sie lässt uns heute nüchtern erkennen, dass unsere wahllose Vermehrung mittlerweile alles andere als ein Segen, vielmehr ein desaströses Verhängnis ist – für die Grundlagen des Lebens und damit auch für uns selbst..
Die Weisheit der Erde ist von anderer Klarheit als die selbstbezügliche und narzisstische Vernunft des Menschen. Es ist eine evolutionäre Weisheit, die nur von einem geleitet und geführt wird: dem Bestand des globalen Lebens an sich – in seiner Unterschiedlichkeit und Vielheit. Dies mag den Parasiten nicht gefallen, doch an dieser Stelle scheinen die planetarische Weisheit und die Selbstreinigungskraft von Mutter Erde stärker. Das Abschütteln von Homo Sapiens hat begonnen.
Was bleibt dem Menschen auf diesem nun vor ihm liegenden schmerzhaften Weg und inmitten von Prozessen, die er nicht mehr beeinflussen kann?
Die Wiedererlangung seiner Selbstachtung und Würde…
Das Erblühen einer Liebe, die über sich hinausweist…
Demut und nichtverletzende bedingungslose Hingabe an das Leben…
Vielleicht wartet dann auf uns ja noch ein Wunder *