Schatten der Hoffnung

ClausAllgemein

Ein spanisches Sprichwort betont, dass, wer von der Hoffnung lebt, an Verzweiflung stirbt.

So manche Hoffnung macht krank, wenn die Hürden der Unwahrscheinlichkeit, die ihr gegenüber stehen, schlichtweg unüberwindbar sind. Ungesund wird Hoffnung auch da, wo sie der Gegenwart ihr Recht, ihre Würde und ihre Möglichkeiten dadurch raubt, dass sie in der Konzentration und Ausrichtung auf das ersehnte Zukünftige das entgleiten lässt, was auch der Augenblick an Richtungsweisendem beschert. Falsche Hoffnungen also wollen verabschiedet werden. Es ist zweifellos gesünder, sich zu einer partiellen Hoffnungslosigkeit zu bekennen und sie zu durchleben, als die Lebensenergie durch Träume zu blockieren; gemeint sind Träume, die letztendlich nur betrügen bzw. in denen wir doch nur wollen, dass die Dinge sich so entwickeln, wie uns das vorschwebt und genehm ist. Solche Hoffnungslosigkeit sollte nicht mit Resignation (vgl. meinen Blog vom 7. Februar) verwechselt werden. Wir können sie eher als eine Ohnmacht mit offenen Augen verstehen. Sie hält uns in der Präsenz und damit in Berührung mit dem, was gerade ist. So bietet sie auch eine Form von Halt in der Haltlosigkeit. Vor allem sagt sie ja zu dem, was gerade lebt, auch wenn es schmerzt.

Zu den Schatten der Hoffnung gehört auch, dass sie sich normalerweise auf das bereits Bekannte bezieht, von dem ich mir Vorstellungen machen kann. Das mündet dann oft in ein Streben, etwas festzuhalten.
Hier nun wird die Unterscheidung in billige und tätige Hoffnung wichtig. Billig ist sie, wenn sie sich auf die Verkündigung des Erhofften beschränkt und einen damit verbundenen unbegründeten Optimismus, dass die Dinge schon gut ausgehen werden. Dann, so könnte man sagen, ist Hoffnung oft schlichtweg fehlende Information bzw. fehlende Erkenntnis, die durch Denken hätte erlangt werden können.
Tätige Hoffnung geschieht demgegenüber in einem Urvertrauen, dass das, was der Mensch tut, sinnhaft ist und heilend. Dabei spielt keine Rolle, ob er das Visionäre und Erhoffte bereits konkret schaut, und sie sieht sich auch unabhängig vom Ausgang, vom Ergebnis. Tätige Hoffnung nimmt ernst, dass eine Möglichkeit und eine Zukunft zwar ersehnt und erkannt werden können, dass dies aber auch eine Anforderung darstellt, ja mit einer Bringschuld des Menschen verbunden ist. Alle großen Visionen setzen dies voraus. Sie sind Ankündigung, also Indikativ und Aufforderung, also Imperativ.

Das hoffende Voranschreiten mindert nie die Unverfügbarkeit des Zukünftigen. Entscheidungen fallen letztlich immer in das Unvorhersehbare und Dunkle hinein. Und das ist gut so. Die nicht zu überwindende Angreifbarkeit und Verletzbarkeit unserer Bedürfnisse nach Stabilität hält Kreativität am Leben. Sie verhindert, Zukunft bloß als eine Verlängerung der Gegenwart zu sehen und daran das Handeln zu orientieren. Das Verhältnis zwischen der Kontinuität, die wir als eine Grundenergie brauchen und dem Bruch sowie der unvorhergesehenen Veränderung, müssen immer wieder neu austariert, ja in uns ausgehandelt werden. Sie stehen in einer äußerst dynamischen Wechselbeziehung, die unsere Aufmerksamkeit und unsere Energien bindet. Dann wartet die Phase des Innehaltens, des Reflektierens und des sich neu Ausrichtens. Es ist nun gerade der Veränderungsdruck, der vorübergehend zum Fels in der Brandung wird.

Hoffnung, Unverfügbarkeit, Erkenntnis, Vertrauen und Wandlung also wollen zusammengedacht, zusammengefühlt und in tätiges Sein überführt werden. Eine so eingebettete Hoffnung führt nicht in Verzweiflung. Sie führt in das, was wir Leben nennen, und sie hält darin.

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