Radikalisierte Zeit

ClausAllgemein

Wir sind inmitten der Woche, in der es um Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Klärung geht. Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag…

Das letzte gemeinsame Mahl – oder auch: Göttliches und Menschliches an einem Tisch vereint…
Verrat, Demütigung, Nichtverstehen, Leiden, Einsamkeit, Tod…
Abgrundtiefe Stille, Leere, das empfundene Nichts…
Wandlung, Erwachen, Neubeginn…

Wir werden mit exemplarischen Lebensstationen konfrontiert, die jedem von uns in jeder Stunde begegnen können; manchmal auch als Täter, manchmal als Opfer. Und jeweils ist es eine besondere, eine herausragende Zeit. Auf ihre Weise enthält sie unendlich viel an Erfahrung, Erkennen und Transformation. Es ist Kairos-Zeit. Etwas bricht auf existentielle Weise ein in unser Sein. Und es erschüttert.

Es geht bei Kairos nicht nur, wie so oft vermutet und geschrieben wird, um das sogenannte Schöne, um den angenehmen Hauch des Ewigen. Kairos meint ultimative Radikalisierung der Seinsweise. In jedem Moment, in allem, was uns begegnet, kann sie sich zu erkennen geben. Manchmal mag es empfunden werden wie ein Stich ins Herz; ein anderes mal berührt dich zeitloses Glück oder auch das tiefe, momenthaft wahrgenommene Gefühl der Diaphanie, des Durchscheines und Erwachens. Und alles sind Erkenntnisweisen über das Sein an sich und unsere Stellung auf Erden und im Universum. Was ich nun bei mir wahrgenommen, erkannt und verstanden habe, kann ich schließlich allem anderen Leben auch als Potentialität zubilligen.

Gerade die Tage vor Ostern wären auf Empfindungs- und Erkenntnisebene in ihrer ganz eigenen Besonderheit verschenkt, würden wir sie permanent überlagern mit österlicher Vorfreude. Alles hat seine Zeit, wie es der biblische Prophet Kohelet, auch der Prediger genannt, ausdrückt. Alles…

Und so fordert alles unsere kairosförmige Wachheit.
Die tägliche Zeit der Stille und Besinnung will uns daran erinnern.
Sie möchte uns dahin führen zu verstehen, dass eine jegliche Zeit Gnadenzeit ist; dass das Dunkle dem Licht vorausgeht, und wir keinen größeren Fehler machen können als zu spalten und zu verdrängen. Denn dann spalten wir uns selbst und verdrängen ganz Wesentliches aus unserer eigenen Mitte.

Dass die jugendliche Gottheit KAIROS in der griechischen Antike mit einem scharfen Messer in der unter dem wehenden Mantel verborgenen Hand dargestellt wurde, sagt etwas über die möglichen Folgen aus, mit denen du leben musst, wenn du die Zeit nicht erkennst.

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