Glückseligkeit und Zustimmung zur Welt

ClausAllgemein

Auch die kleinen Glücksmomente, die sich etwa aus dem Stillen leiblicher Bedürfnisse, einer Begegnung oder auch einem Denkerfolg ergeben mögen, weisen in ihrem Ursprungsimpuls auf ein im Tiefsten Ersehntes hin. Es ist das, was wir nicht zu wollen, nicht in der Lage sind. Denn die Sehnsucht nach Glückseligkeit ruht durch das Herz hindurch im Wesensgrund des Menschen, mag sie gelegentlich auch verschüttet sein im Drang nach Dingen und flüchtiger Befriedigung.
Was nun aber meint Wesensgrund? Und was verbindet darauf bezogen alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit?
Vielleicht läuft es hinaus auf jenes stimmig sein mit sich selbst, jenes tiefe Ruhen in mir und die Empfindung des Einsseins mit dem Ganzen, ohne dass da noch quälende Fragen lauern.
Dorthin zu gelangen, auch wenn es als prinzipielle Möglichkeit ja immer schon da ist, fällt uns im Treiben der Welt jedoch nicht so einfach zu. Denn dass der Lebensweg in jene Verbundenheitserfahrung führt, kann zwar durchaus ein unerwartetes und unvorbereitetes Geschenk des Schicksals sein. Doch normalerweise hat das Voraussetzungen. Die Bereitschaft, aus den Kreisbewegungen und Endlosschleifen an Wiederholungen herauszutreten, in denen Leben sich zumeist abspielt, wäre hier zu nennen. Dazu gehört allerdings auch, jene Ansprüche fallen zu lassen, die permanent ein Defizit in unserer Existenz signalisieren.

Glückseligkeit, wenn sie sich im Menschen ausbreitet, führt selten zu einem dauerhaften Zustand. Sie zeigt sich eher als Momenterfahrung, die bald schon wieder hinter Alltagsfragen zurücktritt. Allerdings sind nun diese Alltagserfahrungen von einem Empfinden her beleuchtet, das neue Maßstäbe zu setzen vermag. Wer einmal das Getragensein im Einssein erfuhr, im vertrauenden Blick von sich weg auf das Größere, weiß um das Land hinter der Sorge und der Bedenken, die das Leben so gerne eintrüben.

Was aber zeichnet den Blick aus, dem das Größere sich offenbart, bzw. durch den es uns gewahr wird? Wobei „Blick“ es eigentlich nicht trifft. Es ist ja eher ein Erkennen als Prozess, dem die Sehnsucht danach, erkennen zu wollen, zugrunde liegt.

Erkennen können wir auf unterschiedliche Weisen, je nachdem, worauf sich unser Interesse richtet. Die Bandbreite reicht vom reinen Intellekt über die Gefühle, die Intuition und die Weisheit bis hin zur kontemplativen Schau. Und diese ist es, um die es bei der Glückseligkeit geht. Das äußere Sehen und rationale Erkennen verhält sich zu dem, was wir das Schauen nennen, wie die chronologische Zeit zur Ewigkeit. Der kontemplative Akt selber, dieses Einswerden mit unserem größeren Selbst und die entsprechende innere Erfahrung sind dabei das Gesuchte, machen die Glückseligkeit aus. Glück und Erkennen des Glücks fallen so in eins. Sie sind nicht voneinander zu trennen. Sie heben für einen Moment aus der unerbittlich dahineilenden äußeren Zeit, setzen die Taktung außer Kraft, verbinden mit dem Sein an sich.
 
Glücksempfinden wird aus Muße, Ruhe und Stille geboren. Unruhe, Hast und Sorge wirken blockierend. In Muße, Ruhe und Stille kann ich mich wiederum nur bewegen, wenn ich die äußere Welt nicht als einen Feind betrachte, dem es zu entkommen gilt. Flucht führt weder in Glückseligkeit, noch in eine kontemplative Haltung. Vielmehr ruhen beide auf einer grundlegenden Zustimmung zur Welt – bei aller selbstredend immer gegebenen Notwendigkeit und Freiheit zu Veränderungen. Wie Josef Pieper schreibt: „Diese Zustimmung hat mit Optimismus nicht viel zu tun. Sie kann unter Tränen und noch inmitten äußerster Schrecknis geleistet werden.“

Die Zustimmung zur Welt mit all ihren Paradoxien, Widernissen und Verhängnissen geht somit der kontemplativen Schau und der als Glückseligkeit bezeichneten Empfindung universaler Verbundenheit voraus. Das gibt uns einen Hinweis darauf, dass Glückseligkeit nicht in eine Parallelwelt führen will. Sie integriert, was ist. Sie verdrängt nicht. Sie verbleibt aber auch nicht im Unerlösten, sondern sie überschreitet es.
Wohin?
In das, was jederzeit möglich ist, weil wir, wenn auch zumeist unbemerkt und unerkannt, seit je inmitten leben.

Dieser riesige Garten ist mein, sagt stolz der reiche Herr.
Still lächelt der Gärtner.
( Quelle unbekannt)

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