Enttäuschte Liebe

ClausAllgemein

Erinnert ihr euch?
Damals,
es war das Ende des sechsten Tages,
sprach ich:

***

„Es ist angerichtet.
Der Planet bereitet.
Dem Leben zur freien Verfügung.
In grenzenloser Vielfalt.

Euch zu entwickeln,
euch zu entfalten,
euch zu erfreuen,
ist er da.

Der Himmel den Vögeln,
das Wasser den Fischen,
das Land den Pflanzen,
den Tieren und den Menschen.
Dazwischen Falter in der Luft
als Farbenspiel.
Leuchtende Sterne,
eure Sehnsucht zu stillen.

Jedem das Seine,
in gewogenem Maß.
Und all das: Einfach so.

Seht doch, wie schön es ist.
Seid achtsam und wachsam.
Haltet das Gleichgewicht.“

***

Lange war ich danach fort,
habe mich in unzähligen Welten des Alls verströmt.
Jetzt, am Abend des achten Tages,
möchte ich innehalten.
Ein wenig ruhen nur
und schauen,
wie es meiner blauen Perle geht.

Was habt ihr getan?

Meinen Weinberg vertraute ich euch an.
Aber aus einem Geschenk und einer Gnade
wurde für euch ein bloßer Zweck.
Den Reichtum für alle
zu euren Gunsten geplündert.
Das Leben misshandelt.
Seine Freiheit mit Füßen getreten.
Schönheit der Gier geopfert.

Warum?

Ihr beraubt euch selber.
Bestraft euch selber,
auf schrecklichste Weise.
Nie wäre mir das in den Sinn gekommen.

Habe ich etwas falsch gemacht?
Zu viel Freiheit?
Zu viel Vertrauen?
Die Gier übersehen?
Zu wenig Liebe in die Herzen gelegt?

Wer seid ihr?

Mir fremd geworden,
erkenne ich meine Kinder nicht mehr.
Doch ihr müsst selber gerade stehen
für alles Tun und Nichttun.
Ich kann euch nicht verändern.
Ihr tragt nun den Preis der Freiheit.

Warum habt ihr nicht auf meine Propheten gehört?
Ihre Sprache war klar
und so vielfältig
wie die Vielfalt der Völker.

Und nun?

Ruhe werde ich woanders suchen.
In einem fernen Sternental.

Zur rechten Zeit
schaue ich noch einmal vorbei.
Am neunten Tag vielleicht,
nach der langen Nacht,
die vor euch liegt.

Dann werde ich sehen,
was letztendlich wurde
aus meiner Schöpfung,
die mir einst die Liebste war.

Vielleicht doch noch etwas Liebe streuen?

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Das Novemberfoto zeigt den Hauptzugang zum Konzentrationslager Buchenwald, nahe Weimar. Dort befand sich in das Gitter der auf dem Bild geöffneten Tür eingearbeitet der Satz: „Jedem das Seine“. Er spricht für die vorgenommene Umwertung der Werte durch das Regime. Ähnlich wie aus dem „Du sollst nicht töten“ das „Du musst töten“ wurde, so hier aus dem Lebensgeschenk der Schöpfung für alle Wesen die Umkehrung zur Vernichtungszusage.