Die fünf Trinitäten: Fünf…

ClausAllgemein

Der trinitarische Fünfklang findet Vollendung in drei Bewusstseinsstufen, die dem Menschen seinen größtmöglichen Adel geben. In ihnen erfüllt er seine Potentialität, wird er zum Gestalter der ihm gegebenen Zeit und hält die Verbindung zwischen „Himmel“ und „Erde“. Wie bei den anderen Trinitäten auch ist all dieses einfach so gegeben. Jederzeit zugänglich und erfahrbar, muss man es sich nicht verdienen.

Sehnsucht, Kairos, kontemplative Haltung

Irgendwo im Brust- und Herzbereich ist sie als körperliche Wahrnehmung zu spüren. Mal zieht sie sanft, mal stürmisch, mal vollkommen selbstvergessen – jene Urkraft, die uns durch die Evolution, auf dem Weg von Alpha nach Omega, begleitet. Wenn wir es zulassen, lässt sie uns wachsen. Sehnsucht wird sie genannt. Mensch wird der Mensch erst durch sie – die ihn in seine Tiefe führt, hin zu der Potentialität, die in ihm ruht. Sie lockt über das Gegenwärtige hinaus. Zu dem Größeren, das uns manchmal so endlos weit übersteigt, und dessen Teil wir doch zugleich sind.

Die Sehnsucht ist unstillbar, mit allem Vorläufigen kann sie sich letztlich nicht vollends zufrieden geben – seien es Dinge, Errungenschaften oder auch andere Menschen. Denn hinter jedem dieser Begehren, hinter jeder Suche, jedem Sehnen steht das Absolute selbst, die Quelle von Sein und Werden. Aus ihr ging die Sehnsucht hervor, so wie der Mensch selbst. Wäre diese koexistierende Ursprungs- und Seins-Energie nicht, wie könnte etwas in uns brennen und uns ziehen?

Das Absolute lässt sich nicht greifen, nur ersehnen – bis tief hinein in die dunkle Nacht des Nichtwissens, die allerdings zugleich der Raum einer transzendenten Gewissheit ist. Diese kann den Menschen tragen, weil das Sehnen seinen Ursprung in dem Ersehnten hat. Somit wird es Ausdruck der jederzeitigen Gegenwart des Absoluten, des Göttlichen. Und so bewegen sich im Sehnsuchtstrieb des Menschen beide aufeinander zu, ziehen sich gegenseitig an. Das Unendliche wird zur Nähe – und in dieser scheinbaren Paradoxie liegt das große heilige Geheimnis.
Der Mensch ist im Zustand der Sehnsucht auf eine gewisse Weise bereits angekommen, steht in Resonanz, in Beziehung. Was sich als Defizitempfindung regte, hält nun im gemeinsamen Raum von Zeit und Ewigkeit, von Immanenz und Transzendenz, von Menschlichem und Göttlichem. Solches meinte der anonym gebliebene schottische Kartäuser aus dem 14. Jahrhundert, als er in der von ihm verfassten „Wolke des Nichtwissens“ so treffend schrieb: „Der Zugang zum Himmel ist die Sehnsucht.“

Als qualitative Zeit kann Kairos verstanden werden. Nicht mess-, aber doch wahrnehmbar, tritt er als besondere Gelegenheit, als Chance und Herausforderung in die Existenz. Er stößt an, zur rechten Zeit zu handeln. Seine Wahrnehmung hängt ab von der auf das Jetzt ausgerichteten Bewusstheit, der inneren Wachheit und Achtsamkeit. Der Kairos wird durchlebt im Kopf und in der Empfindung, im Traum und durch Intuition. Das schenkt ihm seine Einzigartigkeit. Das kleidet ihn auch mit jener Autorität, die durch keine noch so logische und rationale Argumentation zu widerlegen ist.

Das rechte Handeln zur rechten Zeit geschieht aus der Reife. Oft langsam wachsend bereitet sich vor, was später seinen momenthaften Durchbruch erlebt. Und so gehört zur Bedeutung und zum Erkennen des Kairos, dass es oft zahlreiche kleine Schritte waren und sind, die sein Kommen vorbereitet bzw. seine Annahme ermöglicht haben. Kairos-Momente sind unverfügbar. Werden sie im Falle ihres Kommens aber nicht wahrgenommen und ergriffen, zeigt sich unmittelbar ihre Einzigkeit und Vergänglichkeit. Kairos kennt keine Wiederholung.

Mit der Kraft und Zeitenfülle, die dem Kairos innewohnen, kann jedes Schicksal eine Wendung nehmen. Dies gilt nicht nur für jeden einzelnen Menschen, es ist die Schlüsseleinsicht auch für Gemeinschaften, Völker und Kulturen, ja das Mensch Sein an sich. Kairoshaft in der Zeit zu stehen, bedeutet dann aber auch, sich auf Entscheidungserfordernisse auszurichten und sich in die entsprechende Verantwortung zu begeben. Jede Zeit ruft nach Vollendung. Sie fordert Wachheit und Offenheit, vor allem auch für die letzten Dinge, die jeden Tag neu auf uns zukommen – als jene verzaubernden und fordernden Stunden und Sekunden.

Das vom Kairos-Bewusstsein bestimmte Handeln erfährt Führung aus einer kommenden Welt. Dies ereignet sich in der Gegenwart, ist aber nicht bloß für sie bestimmt. Zukunft öffnet sich, bricht in das Bewusstsein ein als nahezu unbegrenzte Potentialität. Für eine Weile stillt sie den Hunger der Sehnsucht.

Das Erspüren und Erkennen der Sehnsuchtstiefe und ihres Ursprungs genau wie des kairoshaltigen Momentes, dessen Zeitfenster sich für einen Wimpernschlag öffnet, bedarf der atemholenden und zulassenden Stille. Sie wird geboren und geht einher mit einer kontemplativen Haltung, ja Lebenseinstellung. Als Kontemplation verstehen wir ja den Weg, eins zu werden (con) mit unserem Innersten, dem Heiligsten (templum), dem namenlosen Grund, ja vielleicht sogar dem göttlichen Bereich. Es ist ein Weg jenseits von Dogmen und jenseits von Theologie. Der schlichteste Geist soll ihn gehen können. Sehnsuchtsenergie und der damit verbundene Sog reichen.

In der Kontemplation, jener von uns gesuchten tiefen inneren Stille, durchschreitet das Bewusstsein eine dem äußeren Auge verborgene Tür. Sie führt in das, was Heimat genannt werden kann. Es ist jener Bereich, den außer uns niemand betreten kann. Wesenhaft ist er und unzerstörbar. Absichtslosigkeit begleitet den kontemplativen Wanderer auf seinen Innenwegen. Er weiß um die Geborgenheit, die ihn umhüllt und darum, sich nicht begründen zu müssen.
Der kontemplative Raum ist erfüllt mit Hören. Die blockierten Regungen des Seins erhalten eine Stimme. Erwartungen, Wünsche, Urteile und Vermutungen bleiben zurück. Illusionen verwehen. Identität formt sich im Loslassen neu. Hingabe an das Numinose und Größere trägt die kontemplative Haltung. Sie stellt in die seelische Empfindung eines letzten Getragenseins durch einen Urgrund jenseits aller Vorstellungen, Projektionen oder Fluchtwelten. Und das ist es, was immer wieder in die Stille zieht. Es lässt den Menschen aufrecht gehen und die Rolle auf der Bühne des Lebens neu interpretieren. Doch „unbeschadet“ kommt in diesem Prozess niemand davon. Eine größere Klarheit, Durchlässigkeit und Empfindsamkeit wächst. Mitgefühl wird unvermeidbar. Eine Ahnung vom Energiefeld reiner Liebe entsteht.

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