Träum doch!!

ClausAllgemein

„Wer keinen Frieden in der Seele hat,
in dem gibt es keinen Platz,
um den heiligen Tempel zu bauen;
denn wie sollte der Zimmermann bauen,
inmitten eines Wirbelwindes?
Die Saat der Gewalt kann nur
eine Ernte der Verzweiflung hervorbringen …
Sucht denn den Engel des Friedens,
der wie der Morgenstern inmitten einer Wolke ist,
wie ein heiliger Olivenbaum voller Knospen
und wie die Sonne, die auf den Tempel des Allerhöchsten scheint.
Frieden wohnt im Herzen der Stille…“


Es ist ein großer Menschheitstraum, der seinen Ausdruck im „Evangelium der Essener“ findet, einer mönchischen Gemeinschaft in Palästina, die von etwa 200 v. Chr. bis zur Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. existierte. Ein großer Traum von Frieden und Versöhnung, wie er auch in dem berühmten Satz von Martin Luther King durchklingt: „I have a dream!“

Träumen? Jetzt? Wo wieder einmal Hass und Zerstörung als apokalyptische Reiter über die Erde jagen? Wo nüchterne Realpolitik gefordert ist, um die großen und kleinen Vernichtungsbrände irgendwie einzuhegen? Träumen … in diesen nicht enden wollenden Tagen voller planetarischem Leid, dem sichtbaren und dem verborgenen?

Wann denn sonst, wenn nicht jetzt?
Der Traum trotzt jeder Bombe. Was bliebe denn, wenn nicht das Dunkelgrau des Schutts der Kriege zumindest in der Seele wieder in Farbe und Schönheit getaucht würde?
Wo nicht der Traum vom Frieden lebt, wird niemals Frieden Heimstatt suchen. Der Traum ist die Vorstufe der Vision und diese der Utopie und jene der gangbaren Wege.

Im Traum öffnen sich für die äußeren Sinne unerreichbare Räume. Dort gibt es keinerlei Grenzen, lebt das Vergangene und Erinnerbare zusammen mit jeglichen Zukunftserwartungen und dem noch nie Gedachten. Hier begegnen sich die Sehnsüchte und wächst eine in kontinuierlichem Wandel begriffene eigene Welt. Als Seifenblasenuniversum mit trügerischem buntem Schimmer auf dünnster Haut, die jederzeit zerplatzen kann, wird sie diskriminiert. Als das gedankliche Nichts, kaum entworfen, schon verworfen; aufgelöst, ohne Spuren zu hinterlassen. Doch Träume sind mehr. Sie können zu Geburtsstationen des Zukünftigen werden. Ohne Träume von einem gelingenden Leben in einer geheilten Welt wird nie eine Ahnung von dieser Welt sichtbar werden.

Manchmal leben sie still in uns, verborgen vor den bewertenden Blicken anderer. Manchmal wollen sie aber auch ausgesprochen, ja förmlich hinausgeschrien werden. Dann weben sie ein Kraftfeld aller, die damit in Resonanz gehen. Das Traumgespinst nimmt geistige Form an, ständig verfeinert durch das Hinzutreten neuer Facetten. Bald schon kann dann der Traum viral gehen als Unaufhaltsamkeit eines großen Versprechens. So erhebt sich der Phönix aus der Asche.

Im Innenraum des Menschen will der Traum zu einer Wirklichkeit reifen, um mit dieser Kraft die oft so grauenvolle Banalität des Unbedachten und Gewohnheitsmäßigen zu ermüden. In der Symphonie des Lebens übernimmt er die Improvisation am Ende eines jeden Satzes. Manchmal hält nur das am Leben, streut Blumen auf den Wüstenwegen.

Wahrer Frieden, mehr als bloßer Gewaltverzicht also, ist nur ein Traum. Doch es gibt Momente in unserer Geschichte, wo er so stark wird, dass aus ihm eine unstillbare Sehnsucht hervortritt. Sie erst macht friedensfähig, weil sie irgendwann allem anderen voraus ist und einzig noch als Wegweisung taugt. Dann ergeben sich die Hassgefühle und Rachegedanken eines tief erschöpften Menschengeschlechts, und es zählt nur noch die suchende ausgestreckte Hand, die eine andere suchende ausgestreckte Hand umschließt.

Und so will ich nicht aufhören zu träumen, gerade wenn wieder einmal die Düsternis im Begriff ist, die Flamme des Lebens zu überdecken.

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