Auf meine Fragen hin an Sie, liebe Leserin, lieber Leser…
was denn in diesen Zeiten ein Hindurch bedeute,
und welche Vorstellungen oder Träume leben bezogen auf das postapokalyptische Land dahinter,
oder ob die Zeit der Träume vorbei sei, weil die Bewältigung des Gegenwärtigen uns vollkommen in Anspruch nimmt, ja wir vielleicht sogar an einem evolutionären Endpunkt angelangt sind…
erhielt ich bislang mehr als 50 Reaktionen. Sie sind teils sehr ausführlich, manche verdichtet essentiell, andere in eine biografische Erzählung eingeflochten – alle aber berührt und berührend, in großer inhaltlicher Vielfalt.
Das nun Folgende integriert das Subjektive und Persönliche zu einer gemeinschaftlichen Energie des WIR.
Dem Ausgangspunkt hier folgt am 22. Dezember Im Sturm der Wandlung, am 29.12. schließlich Der postapokalyptische Raum.
Von Postapokalypse zu sprechen, setzt Apokalypse voraus. Apokalypse – das meint: Enthüllung, unwiderruflich offenbar werden, Zerfall und Auflösung dessen, was bis hierher geführt hat. An diesem Feuerofen, der bereits zur Wandlung gehört, geht kein Weg vorbei. Es existiert keine Abkürzung.
Zunächst jedoch: Woher kommen wir, worin leben wir, und von wo aus machen wir uns auf den Weg?
Sieht man die Lebensprozesse auf der Erde und wie sie wurden als einen paradieshaften Vorgang an, so mussten und müssen wir lernen, wie zerbrechlich dieses Wunder des Lebens ist und wie schrecklich unser Beitrag dazu. Wenn alte religiöse Bilder taugen, dann zeigen sie uns, dass die „Hölle“ nicht im Reich des „Satans“ liegt; wir haben sie gemacht, die Hölle auf Erden – mit Krieg, Vernichtung, Zerstörung und abgrundtiefer Fahrlässigkeit gegenüber den Bedürfnissen des Lebens.
Dabei ist es ja nicht so, als wüssten wir darüber nicht genug. Wie ein offenes Buch in universaler Schrift liegt alles vor uns. Und hatten wir nicht reichlich Gelegenheiten aufzuwachen und zu lernen, um neue Sinngehalte und Organisationsweisen für das Leben und Zusammenleben zu finden? Doch selbst die kolonialen Gräuel, die Ausrottung so vieler indigener Kulturen, die großen Kriege, vor allem auch des letzten Jahrhunderts, der industrialisierte Massenmord an Juden und anderen Volksgruppen und der globale Flächenbrand der Artenvernichtung haben nichts Dauerhaftes zum Guten hin bewegt. Heute sind wir gar an einem Punkte, wo wir über die Mittel verfügen, uns auf vielfältige Weise terran den Garaus zu machen. Und so würden wir vielleicht gewiss entsetzt, jedoch wohl nicht überrascht sein, wenn der letzte Weltkrieg der Menschheit losbricht. Noch immer selbstverliebt trödeln wir dem Untergang entgegen.
Gewiss – wenn die Not groß wird, nehmen Hilfsbereitschaft und Verbundenheit zu, Wärme zwischen den Menschen. Doch selten hält das lange vor. Schritt um Schritt breiten sich Abgrenzung, Feindbilder und Aggressivität immer wieder aus. Sie scheinen in unsere personale und kollektive Matrix programmiert. Und wenn wir gar nicht mehr weiter wissen, taucht unvermittelt wieder Krieg als ein Lösungsbeitrag auf – als der Vater aller Dinge, wie schon die Alten sagten. Revolutionen, die anderes wollten, sind gescheitert, gesellschaftliche Utopien wie Seifenblasen geplatzt. Das Ego auf allen Ebenen war und ist stärker. Es hält die duale Endlosschleife am Leben. Und manche von denen, die uns führen, bewegen sich letztlich noch immer auf Sandkasten-Niveau. Greift da einer nach dem Sand, den der andere als seinen ansieht oder nimmt ihm gar die Schippe weg, gibt’s auf die Fresse, und der Stärkere kriegt die Schippe – trotz gleichzeitig außerordentlicher intellektueller Fähigkeiten, zumindest gelegentlich.
Welche Konzepte des Vergangenen und Gegenwärtigen sollen da tragen? Und wie soll in Künstlicher Intelligenz eine leise Hoffnung liegen, wenn sie ja doch nur lernen kann aus den existierenden Verhaltensweisen; aus den Vereinfachungen, vorschnellen Schubladisierungen und technokratischen Instrumenten, die keiner Lebendigkeit und keiner Weisheit gerecht werden?
Um all dies zu erkennen, brauchen wir nicht die gerade wieder aufflammenden großen Brandherde auf der Erde in den Blick zu nehmen. Das Verhängnis ist allgegenwärtig, in uns. Es gibt kein Entrinnen. Zwar werden wir das übergreifende Projekt „Leben“ dadurch nicht vollends zerstören. Aber das Erreichen eines mitmenschlichen, altruistischen und empathischen Seinszustandes ist so, wie wir uns im Moment darstellen, nicht mehr vorstellbar. Diesbezüglich sind wir als Spezies gescheitert bzw. einfach zu defizitär. Von hier aus betrachtet, spricht zudem wenig dafür, dass die Überlebenden des vor uns Liegenden aus der Geschichte dazugelernt haben werden.
Solches, gleichwohl, will niemand hören. Stattdessen tönt aus den medialen Kanälen vom Endlos-Band die Ansage, dass das Unabwendbare immer noch abwendbar sei. So narkotisiert, stimmen wir fröhlich in den Gesang des Untergangs mit ein. Man vernimmt bisweilen zwar noch, dass solange wir uns diejenigen, die als politische und ökonomische Oligarchen die Regeln dieses Spiels bestimmen, nicht vom Halse geschafft haben, sich nichts ändern kann. Doch stellen wir uns vor, das gelänge. Spätestens dann stünden wir vor der Einsicht, dass jene verantwortungslose „Elite“ sich aus demselben Genpool und demselben kulturellen Raum nährt wie wir selber.
Es ist Dezember 2023. Die Menschenwelt liegt in Unruhe. Verhältnisse haben begonnen, sich zu verschieben. Die mit großer Kraftanstrengung irgendwie in Ordnung gehaltenen Strukturen geraten in Schieflage. Das wachsende Ungleichgewicht droht das Konstrukt zu kippen. Wir erleben den Beginn einer archaischen Umstülpung, von der niemand weiß, ob die Wurzel des Bösen oder das Göttliche und Lebensdienliche im Menschen darin erstarken werden.
In jedem Fall werden die Dinge sich neu sortieren. Zivilisatorische Masken fallen. Ideologien treten in einen Vernichtungsfeldzug gegeneinander. Die Spreu trennt sich vom Weizen, ohne ausschließen zu können, dass das leere Stroh alles zudeckt und erstickt.
Und doch, gerade in dieser Erdzeitstunde, steigt weltweit zart ein Verstehen auf, dass der Mensch nur überdauern kann, wenn er sich schon in der Bewegung durch das Niedergehende demütig und dennoch klar auf die Suche macht nach der Harmonie mit dem Lebewesen Erde und allen Seinsformen, die es hervorgebracht hat. Ohne Angst vor dem Absterben des Alten. Bereit zum Sprung über den unendlich breit und tief scheinenden Abgrund; nicht wissend, ob die Flügel der Sehnsucht auch tragen.
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© Grafik: Jan Rieckhoff
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