Homo Extinctor

ClausAllgemein

Die Natur ist unerbittlich und unveränderlich,
und es ist ihr gleichgültig,
ob die verborgenen Gründe und Arten ihres Handelns
dem Menschen verständlich sind oder nicht.
(Galileo Galilei)

Als der Mensch im wundersamen kosmischen Reigen auftauchte, bewegte sich das, was wir Natur nennen, schon unendliche Zeiten nach ihren eigenen inneren und unumstößlichen Gesetzen.

Mit dem neuen Weltraumteleskop „James Webb“ werden wir bald bis zum Beginn dessen zurückschauen können, was wir als Universum bezeichnen. Wunderbares, Überwältigendes, nicht Fassbares wird sich offenbaren, für das es keinerlei Erklärung gibt, wenn nach dem Ursprung und dem Impuls allen Seins und Werdens gefragt wird. Von der Frage des Sinns ganz zu schweigen. Es bleiben Staunen, und ob der Gewaltigkeit Erschaudern zugleich.
Inmitten, auf dem vielleicht schönsten Gebilde, was – zumindest aus den Augen des Menschen – eine kleine, unter Milliarden anderer Galaxien hervorbrachte, leben wir. Und ausgerechnet für dieses Kleinod ist unser Blick erkaltet.

Dem Wunder der Erde und ihrer konvivialen Einzigkeit hat sich unsere Wahrnehmung entzogen. Durch das süße Gift der umfänglichen materiellen und immateriellen Konsumbedürfnisse und Süchte dringt sie nicht hindurch.
Die Liebe zum Leben erweist sich als immer unzulänglicher, verglichen mit der Macht der menschgemachten lebensfeindlichen Verhältnisse und der darauf bezogenen alltäglichen Gewohnheiten.
Und so schreiten Vernichtung des Landes und der Arten, Ausbeutung und Entwürdigung fort. Täglich. Obwohl alles gesagt und erklärt ist – so oft, so dringlich, so seriös und vertrauenswürdig, von unterschiedlichsten Menschen, Menschengruppen und Institutionen.

Noch scheint der Schrecken jener Katastrophen, deren zarte Vorstufen wir begonnen haben zu erleben, und die ja nichts weiter sind als Folgegesetze der Natur, bei Weitem nicht groß genug, um die Sehnsucht nach dem „Weiter so“ und nach „Besitzstandswahrung“ in Lebensdienlichkeit zu transformieren. Auf dem einzigen Fundament, das in der Lage ist, menschliche Zukunft dauerhaft zu tragen: Ehrfurcht, Demut, Bescheidenheit und Genügsamkeit.

Wie kann die Erhabenheit des uns „einfach so“ Gegebenen die tödliche Erstarrung in einer Weise durchdringen, dass sie, zutiefst erschüttert, zerfällt?
Wie laut müssen aus dem geschundenen Netz des Erdenlebens die Schreie nach Behutsamkeit, nach Schutz und Respekt noch werden, dass sie in der selbstgewählten Isolation unserer Gattung Gehör finden?
Wie stark und tiefgreifend muss erst unser eigenes Leiden werden, dass wir vielleicht doch noch lernen und nicht irgendwann final gezwungen sind einzusehen: Dieses Menschsein hat sich inmitten der Blüte seiner vielleicht größten wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit überlebt. Aus Mangel an Mitgefühl und Liebe.

Zur Klassifizierung als „Homo Sapiens“, Träger der Weisheit, hat es für die Menschheit bis jetzt nie wirklich gereicht. Die Prüfungen zum „Homo Extinctor“, Meister der Vernichtung, allerdings, haben wir mit Bravour bestanden.

Kein Beten wird helfen, denn das Absolute hebt die Gesetze des Universums, die Regeln von Ursache und Wirkung, niemals auf. Es ist selber Teil davon. Das zu wissen, ist nicht wenig! Und sich dem dann zu stellen, und zunächst, wie der verlorene Sohn, aus eigener Kraft die Schritte zum Übermenschen zu gehen, wäre das Mindeste. Die alten Gewänder abwerfen und das nackte Leben sich häuten lassen, bis das potentielle und uns eigentlich zugedachte Wesen sichtbar wird – Zugewandtheit und Liebe. Weniger als das wird nicht mehr reichen. Halbherzigkeit in dieser Erdzeitstunde versetzt den Todesstoß.

Wie das gehen soll, muss jede(r) für sich selber, alleine oder in Gemeinschaft, klären. Die herrschenden Institutionen sind dazu nicht nur untauglich, sie sind ein wesentlicher Teil des Problems. Auch dazu ist eigentlich alles gesagt. Letztlich aber sind es nur Worte. Sie klingen mir zunehmend tönern, ja vielleicht sogar leer. Denn wir scheitern nicht an Worten. Die Menschheit scheitert an wissentlich unterlassener Hilfeleistung, gerade auch für sich selber.

Ein wahrer Aufstand wäre nötig, ein Aufstand des Geistes, der Herzen und der Hände. Ein Menschenbeben, das dem Antlitz des Planeten wieder ein Lächeln einhaucht! Aus der Gewissheit heraus, gewollt und angenommen zu sein. Denn wären wir nicht gewollt, wären wir nicht.

Jeder, dessen Sinne nicht völlig verklebt sind durch das Gift der Konsumgesellschaft, spürt die angeborene Neigung des Bösen, oder besser Lebensfeindlichen, sich immer weiter auszubreiten, die Kulturen immer tiefer zu durchdringen. Doch diese Eigenschaft können wir auch dem Guten, oder besser Lebensdienlichen, attestieren. Selbst wenn es im ersten Moment schwächer, weil zarter, scheint. Dann erinnern wir uns an die kraftvollen Worte des Lao-Tse, dass das weiche Wasser mit der Zeit den harten Stein zu brechen in der Lage ist.
Wenn denn Wasser da ist und man Wasser sein will und nicht Stein.

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