Demut

ClausAllgemein

Demut?

Demut….!
Schnell wird sie diskriminiert, verhöhnt und der Lächerlichkeit preisgegeben als religiöse Unterwürfigkeitsmoral.
Doch dort, wo sie als eine Regung des Herzens lebt, ist sie aus dem tiefem Respekt vor dem Wunder und der Größe des Seins entstanden. Sie bewahrt vor Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung. Sie ist eine ganz eigene und wunderbare Kraft, kein Defizit! Demut steht für die Anerkennung und Akzeptanz der personalen Grenzen, und sie steht für die Einsicht, dass es immer eine Differenz zwischen dem Ideal und den eigenen Möglichkeiten gibt. Gleichzeitig stellt sie das im Menschen strahlende Licht nicht unter den Scheffel, blockiert nicht die in ihm ruhende und auf Befreiung wartende Potentialität. Verwechseln wir sie also nicht mit Sklavenbewusstsein.

Demut steht im Dienst am Ganzen. Du verbleibst nicht unterwürfig bei dir selbst, vielmehr wendest du dich aktiv dem anderen Leben zu. Du ermutigst es, baust es auf. Wer in der Demut lebt, stellt sich seiner eigenen Verantwortung, stärkt die eigene Handlungsbereitschaft und arbeitet an der Überwindung erkannter Schwächen. Er nimmt sich da zurück, wo dies die Chancen auf Befreiung und Verwirklichung des Anderen stärkt. So wird die eigene Demut zur Energie des Gegenüber, zur Energie des Du. Gleichwohl kann auch Demut in Hochmut und Stolz führen. Verhärtet sie zu einem Prinzip und verleitet in der Folge dazu, die eigene Demutshaltung mit dem Verhalten anderer Menschen zu vergleichen, dann kann ausgerechnet die Selbstzurücknahme den Ausschlag dafür geben, sich über den anderen zu erheben. Dann allerdings sollten wir nicht mehr von Demut sprechen, sondern von Heuchelei.

Die Vollendung der Demut kann Hingabe genannt werden. Nichts wirklich Großes entsteht ohne sie! Als Willensakt setzt sie das Bewusstsein und die Empfindung für die Verbundenheit allen Seins voraus. Wie die gesunde Zelle eines Körpers, die ihrem Auftrag nachkommt, der Entwicklung und dem Erhalt des Ganzen um den Preis des eigenen Seins zu dienen, nimmt sich ein Mensch im Akt der Hingabe von seinem Urtrieb nach unbedingter Selbsterhaltung zurück. Es ist der Moment, wo wir mit der Fehlsicht brechen, unser Leben ganz aus den eigenen Kräften heraus gestalten und bewältigen zu können. Die spirituelle Bedeutung der Hingabe, auch der körperlichen und sexuellen, erscheint mir unermesslich. Sie erst macht, in Verbindung mit Vergebung und Loslassen, das möglich, was wir Erlösung nennen. Denn im Grunde richtet sich alles Hingeben auf das Absolute, auf den Urgrund, auf die Heimat hinter der „Heimat“. Nennen wir es ruhig das Göttliche. Nur hier finden wir das Vertrauen und den Halt, die wir brauchen, um im Angesicht existentieller Entscheidung bedingungslos Ja zu sagen. In schutzloser Offenheit erklärst du dich bereit, dich zu verschenken.

Doch an was und an wen verschenken wir uns da eigentlich?

Hingabe, als zarte Geste von Zugewandtheit, richtet sich auf den Impuls des Lebens an sich, gleich auch, in welcher Form Leben uns gegenübertritt. Wenn das Absolute das ist, das sich in alles Sein inkarniert und darin zu erkennen gibt, dann richten sich wahre Demut und Hingabe immer auf das Ganze, auf das Leben schlechthin. Wie ein Astronaut betrachtest du das Lebewesen Erde, „Gaia“, aus der Tiefe des Alls. Du bist ergriffen, und endlich verstehst du nicht nur, sondern du fühlst, dass da nicht mehr getrennt und abgegrenzt und bewertet werden kann und darf. Selbst in der Hingabe an das scheinbar Unbedeutendste, bringst du den Respekt gegenüber diesem Ganzen zum Ausdruck. Kann es etwas Edleres geben….