Hoffnung ist ein Lebenselixier. Wo der Mut zum Sein im Angesicht von unerträglich scheinenden Existenzbedingungen auszubluten droht, sendet sie einen Lichtstrahl aus dem Möglichkeitsraum des Zukünftigen. So gibt sie dem verzagenden Menschen eine letzte Zuversicht an die Hand, die es vermag, ihn aus dem Dunkel der Seele zu führen.
Doch so manche Hoffnung verschlimmert das Befinden sogar, wenn die Hürden der Unwahrscheinlichkeit, die ihr gegenüber stehen, schlichtweg unüberwindbar sind. Ungesund wird Hoffnung schließlich auch da, wo sie der Gegenwart ihr Recht, ihre Würde und ihre Möglichkeiten raubt. Das ist der Fall, wenn in der Konzentration und Ausrichtung auf das ersehnte Zukünftige jenes nicht wahrgenommen wird oder entgleitet, was gerade dieser Augenblick an Richtungsweisendem beschert.
Falsche Hoffnungen wollen verabschiedet werden. Es scheint zweifellos gesünder, sich zu einer Hoffnungslosigkeit zu bekennen und sie zu durchleben, als die Lebensenergie durch Träume zu blockieren, die letztendlich betrügen. Dazu gehören jene Illusionen, in denen wir doch nur wollen, dass die Dinge sich so entwickeln, wie uns das vorschwebt und genehm ist.
Verwechseln wir aber zugestandene Hoffnungslosigkeit nicht mit Resignation! Eher kann man sie als eine Ohnmacht mit offenen Augen verstehen. Sie hält in der Präsenz, in der Berührung mit dem, was gerade ist. So bietet sie eine Form von Halt in dem, was wir als Haltlosigkeit empfinden. Vor allem sagt sie ja zu dem, was gerade lebt, mag es auch schmerzen.
Hoffnungsenergie wird da geschwächt, wo sie sich lediglich auf das bereits Bekannte bezieht, von dem ich mir Vorstellungen machen kann. Das mündet dann zumeist in ein Streben, etwas festzuhalten oder es wiederzuerlangen. Es erschwert damit den Aufbruch in unbekannte Räume.
Hier nun wird eine Unterscheidung wichtig, nämlich die in billige und in tätige Hoffnung. Billig meint, dass sie sich auf die Verkündigung des Erhofften beschränkt und einen damit verbundenen unbegründeten Optimismus, dass die Dinge irgendwie gut ausgehen werden. „Das wird schon…“
Dann, so könnte man sagen, ist Hoffnung nichts weiter als Ignoranz, als fehlende Information bzw. eine fehlende Erkenntnis, die durch Denken und Beobachtung hätte erlangt werden können.
Tätige Hoffnung geschieht demgegenüber in einem Urvertrauen, dass das, was der Mensch tut, immer auch sinnhaft und heilend sein kann. Die Basis dieses Urvertrauens liegt also darin, Sinn auch dort sehen, wo der rationale Geist vielleicht verständnislos mit dem Kopf schüttelt. Nicht aus berechenbaren Wahrscheinlichkeiten speist sich dieser Sinn, sondern aus der Gewissheit einer Wirklichkeit, die höher ist als alle menschliche Vernunft. Dieser Wirklichkeit, der wir letztlich alles Sein verdanken, gibt sich die Hoffnung vertrauend hin. Sie wird tätig für ein überzeitliches Ideal, das zugleich in der konkreten Zeit wahren Wandel auf den Weg zu bringen vermag.
Empfinden wir den Wunsch danach auch als noch so stark, ist es doch nicht von Belang, ob das Visionäre und Erhoffte bereits konkret geschaut werden kann. Tätige Hoffnung sieht sich unabhängig vom Ergebnis. Sie nimmt ernst, dass eine Möglichkeit und eine Zukunft zwar ersehnt und erkannt werden können, dass dies aber auch eine Anforderung darstellt, ja mit einer Bringschuld des Menschen verbunden ist – ohne die Garantie einer „Gegenleistung“. Alle großen Visionen setzen dies voraus. Sie sind Ankündigung, also Indikativ und Aufforderung, also Imperativ zugleich.
Trotz allem hoffenden Voranschreiten bleibt das Zukünftige unverfügbar. Entscheidungen fallen letztlich immer in das Unvorhersehbare und im Dunkeln liegende hinein. Und das ist gut so. Es hält Phantasie und Kreativität am Leben, widersteht einer Beherrschung durch das Bedürfnis nach Stabilität.
Der schwedische Dirigent Herbert Blomstedt (*1927) bemerkt in einem Interview mit der „Neue Musik Zeitung“ (4/2020):
„Der Künstler wie auch der Komponist lebt in einer idealen Welt. Er schafft etwas aus seiner Phantasie. Menschen ohne Phantasie haben keine Hoffnung. Nur durch die Phantasie können wir uns vorwärts bewegen und vielleicht auch die Welt ein wenig verbessern. Vielleicht nicht global, aber zumindest in meinem eigenen Umfeld.“
Phantasie und Kreativität verhindern, dass Zukunft bloß als eine Verlängerung der Gegenwart gesehen wird und sich daran das Handeln orientiert. Das Verhältnis zwischen der Kontinuität, die wir als eine Grundenergie brauchen und dem Bruch mit Gewohntem, um unvorhergesehenen Veränderungen eine Chance zu geben, muss immer wieder neu austariert werden. Beide stehen in einer äußerst dynamischen Wechselbeziehung, die Aufmerksamkeit und Energien bündelt und bindet. Dann heißt es Innehalten, Reflektieren und sich neu Ausrichten.
Hoffnung, Unverfügbarkeit, Erkenntnis, Vertrauen und Wandlung also wollen zusammengedacht, zusammengefühlt und in tätiges Sein überführt werden. Eine so eingebettete Hoffnung sieht sich geerdet. Wer sich ihr hingibt, endet nicht in Verzweiflung. Sie führt in das, was wir Leben nennen, und sie hält darin.
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